Weihnachtskatze gesucht
und betrachtete das Foto. »Ja, das könnte unsere kleine Curly sein. Aber ich weiß nicht recht … Sie scheint sich hier sehr wohlzufühlen.«
»Ich will Sie Ihnen ja gar nicht gleich entführen, sondern erst einmal nur fotografieren.«
»Nun, das wird sich machen lassen. Aber versprechen kann ich nicht, dass sie sich Ihnen zeigt. Sie hat einige bemerkenswerte Tricks drauf, sich unsichtbar zu machen.«
Steve folgte Tinka in die Scheune, in der die Katzen hausten, und sah sich um. In Körben, Kisten und Schachteln ruhten überall die Bewohner, es schien sich um die nachmittägliche Dösestunde zu handeln. Nur aus einem Korb erhob sich ein großer Grautiger und starrte ihn bezwingend aus seinen gelbgrünen Augen an.
Steve starrte zurück.
|125| Der Kater machte einen Buckel und streckte sich. Dann kletterte er aus seinem Korb und marschierte spornstreichs auf Steve zu.
Der starrte noch immer.
»Das ist Mac. Na, Junge, heute aber zutraulich«, meinte Tinka und erklärte dann: »Komisch, sonst ist er immer der Erste, der verschwindet, wenn Fremde kommen.«
»Mac?«, sagte Steve heiser und starrte weiter den Dreibeinigen an. Der starrte zurück.
Tinka sah zwischen den beiden hin und her.
»Setzen Sie sich hier auf den Strohballen, Herr Novell. Wenn Sie sich eine Weile ganz ruhig verhalten, trauen sich die anderen auch hervor.«
»Ja, ich weiß.«
Er setzte sich auf den Ballen und lehnte seine Krücken neben sich.
Tinka hielt sich beobachtend im Hintergrund, Hertha ebenfalls.
Mac strolchte näher.
»Was ist nur mit Mac los?«, wisperte SueSue in Ormuz’ Ohr unter dem Handtuch, unter dem sie beide sich verkrochen hatte. »Der ist auf den dreibeinigen Mann zugegangen, als ob er ihn kennt.«
»Vielleicht tut er das?«
»Kaum. Das ist der Mensch, der uns auf dem Friedhof mit seinem künstlichen Auge beobachtet hat.«
»Mhm. Interessant.«
»Jetzt drückt er sich sogar an sein Bein.«
|126| Ormuz krabbelte aus der Handtuchhöhle, spitzte die Ohren und ließ seine Schnurrhaare flattern.
»Riecht nicht verkehrt.«
»Nein, sieht auch nicht verkehrt aus. Der hat uns nie was getan, dieser Mann. Er ist geduldig wie eine Katze vor dem Mauseloch. Aber damals hatte er noch zwei Beine und einen Stock. Jetzt hat er nur noch eins und zwei Stöcke.«
»Vielleicht ist er auch in eine Beißfalle geraten. Kann sein, dass Mac Mitleid mit ihm hat.«
»Könnte sein.«
SueSue befreite sich auch von dem Handtuch, um besser sehen zu können. Dieser Mann würde sie bestimmt nicht entführen.
Steve blieb, wie er es bei dem Katzenrudel auf dem Friedhof geübt hatte, ganz unbeweglich und in sich selbst zurückgezogen. Doch er konnte es nicht lassen, den Grautiger unter den gesenkten Lidern zu beobachten. Er hatte einmal kurz seinen Kopf an seinem Bein gerieben, was ihn seltsam berührte. Nun saß er wieder vor ihm und starrte ihn an. Ruhig, ausgiebig, intensiv.
Der Blick bannte ihn, und sehr, sehr langsam ließ er seine Hand nach unten baumeln.
Der Kater musterte sie. Dann hob er seinen linken Hinterlauf, um sich nachdenklich am Ohr zu kratzen. Nur dass da kein Hinterlauf mehr war.
Mac fiel um.
Steve fing ihn auf und hob ihn hoch. Setzte ihn auf seinen Schoß. Kratzte ihn am Ohr.
|127| Mac schnurrte.
»Scheiße, Kumpel, was?«
»Brmmm.«
Steve hatte schon mal Pferde getätschelt und Hunde gekrault, eine Katze hatte er jedoch noch nie gestreichelt. Aber jetzt tat er es ganz selbstverständlich. Und außerdem murmelte er dabei lauter dummes Zeug, wie er verblüfft bemerkte. Nur dass Mac es wohl nicht für Blödsinn hielt.
»Der Mann streichelt Mac. Hey, Ormuz, das gibt es nicht! Unser Raubein lässt sich von einem Aufrechten streicheln.«
»Manche, SueSue, finden ihre Menschen irgendwann wieder, mit denen sie einmal verbunden waren. Mac spricht nicht viel über seine Vergangenheit, aber ich glaube, er hat schon viele Leben gelebt.«
»Ob der Mann damals auf dem Friedhof nach ihm gesucht hat?«
»Wer weiß? Menschen können nicht immer ihre Handlungsweisen begründen, aber rudimentäre Instinkte haben sie auch.«
SueSue beobachtete nachdenklich weiter, wie der Mann und Mac sich mehr und mehr anfreundeten. Schließlich brach es aus ihr heraus: »Ob meine Salvia auch Instinkte hat?«
»Hat sie welche gezeigt, als ihr noch zusammen wart?«
Sie dachte kurz nach. »Ich glaube schon. Mehr als die anderen Menschen zuvor. Sie konnte sogar ein paar Worte sprechen. Schlechte Betonung und so, und Schnurren |128|
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