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Weihnachtskatze gesucht

Titel: Weihnachtskatze gesucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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erschüttert hatte. Er war durch vermüllte Gassen gelaufen, einem Amokläufer auf den Fersen, hatte die Opfer einer Flutkatastrophe interviewt, hatte unter Maschinengewehrbeschuss seine Artikel ins Telefon gebrüllt, hatte Kriegsflüchtlinge in notdürftigen Lagern besucht, korrupte Politiker entlarvt, die Machenschaften von Drogenhändlern aufgedeckt und sich unter einem einstürzenden Gebäude begraben lassen.
    Was die Dame ihm unaufgefordert darüber berichtete, wie manche Menschen mit Katzen umgingen, raubte ihm dennoch den Atem. Er kam überhaupt nicht zu Wort, was ihm selten passierte, denn er war ein geübter Journalist und gewohnt, das Gespräch zu kontrollieren. Aber die Katzenschutzdame hatte ein Anliegen und er den Ruf eines Krisenreporters. Sie forderte nicht Spenden, nicht Geld, nicht Engagement – sie forderte Aufmerksamkeit, die sie wider Willen erhielt.
    Als sie einmal Luft holen musste, unterbrach Steve ihren Wortschwall.
    »Ich verstehe, dass Sie das Elend der Katzen anprangern, gnädige Frau, ich verstehe auch, dass Aufklärung unbedingt notwendig ist, aber eigentlich bin ich hier, weil ich diese Katze suche.«
    Die Frau sah sich das Bild an und schüttelte den Kopf.
    |107| »In unseren Pflegestellen befindet dieses Tier sich nicht. Wo haben Sie schon gesucht?«
    Er berichtete es ihr.
    »Alter Friedhof – ja, den kennen wir auch. Jedes Jahr im Frühling sammeln wir die Jungkatzen ein und lassen sie kastrieren. Wir erwischen nicht alle, aber es dämmt die Flut etwas ein, und darum ist das Revier ausreichend für das Rudel. Wenn sie im April oder Mai dort aufgetaucht ist, ist sie uns vermutlich entgangen.«
    »Dann muss ich wohl die Nachbarschaft dort abklappern. Trotzdem danke für Ihre Zeit.«
    »Danken Sie mir nicht, Herr Novell, schreiben Sie einen Artikel über das Katzenelend. Sie können jederzeit kommen und Aufnahmen von den geschundenen Kreaturen machen, die wir gerettet haben.«
    Misshandlung, Vertreibung, Gefangenhaltung – das hatte ihm schon immer die Galle hochkommen lassen. Bisher hatte er es auf Menschen bezogen, und seine Berichterstattung darüber hatte ihn in die wüstesten Gebiete in aller Welt getrieben. Sein Handicap würde ihm das nun verwehren. Aber seit er sich auf die Suche nach SueSue gemacht hatte, war sein Jagdinstinkt wieder erwacht.
    »Mache ich. Sowie ich Klarheit über dieses Tier habe«, sagte er daher zu und erntete ein erfreutes Lächeln.
    »Da ist noch etwas, vielleicht eine Spur, Herr Novell. Wir besitzen einige Katzenfallen, die wir bei Bedarf ausleihen, wenn jemand einen Streuner auf seinem Grundstück einfangen will. Es wäre ja möglich, dass die Katze |108| mit Anbruch der kalten Jahreszeit sich wieder ein Haus suchen wollte. Ich werde mal nachhören, ob es Anfragen gegeben hat. Lassen Sie mir ihre Nummer hier.«
    Steve tat es, und sein nächster Weg führte ihn zum Tierheim, das allerdings in der nächsten Stadt lag. Große Hoffnung, dort fündig zu werden, hatte er nicht. Doch für einen kurzen Augenblick wähnte er sich fast am Ziel, denn der Betreuer nickte, als er das Bild von SueSue sah, und meinte: »Sieht aus wie unsere Milli.«
    Milli mochte zwar eine braune Katze mit hellem Latz sein, ihr Fell jedoch war glatt und nicht gekräuselt. Sie war zutraulich, und als sie um seine Beine strich, beugte Steve sich zu ihr hinunter und streichelte sie unbeholfen. Ein kleines Maunzen belohnte ihn.
    »Sie hätte gerne wieder einen Menschen, Herr Novell. Was wäre, wenn Sie Milli ein Zuhause gäben?«
    Schöne grüne Augen sahen ihn an.
    »Die Katze, die ich suche, gehörte nicht mir, sondern einer Bekannten«, murmelte er und strich Milli noch einmal über den Kopf.
    »Vielleicht …? Wir sind momentan ziemlich überfüllt.«
    »Ich spreche mit der Dame.«
    Und einen kleinen Augenblick war er versucht, die Katze für sich selbst mitzunehmen.
    Was hatten die Fütterfrauen gesagt? Man kann die Welt nicht retten, aber Verantwortung übernehmen für die, die man kennt.
    Dann jedoch schüttelte er die seltsame Laune ab. Er hatte sich schon vor zwei Stunden breitschlagen lassen, |109| einen Artikel über die Arbeit des Katzenschutzbundes zu schreiben. Das musste reichen.
    Es war dunkel geworden, als Steve zurück zum Friedhof fuhr. Auf der Karte hatte er sich die Straßen der Umgebung markiert, die seiner Meinung nach für eine Katze leicht zu erreichen waren. Zunächst fuhr er sie langsam ab. Einfamilienhäuser, meist schon älteren Datums, standen hier inmitten

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