Weihnachtsmord auf Sandhamn ( 2 Kurzkrimis )
man so viel besitzen und das alles auch noch mitnehmen, nur für ein paar Wochen Sommerfrische im Schärengarten? Wenn Gottfrid alle Habseligkeiten zusammenrechnete, die ihm und seiner Mutter gehörten, würden sie nicht einmal einen einzigen dieser Koffer füllen.
Aber er war dankbar für die Einnahmen, die die Sommergäste ihnen brachten.
Seit der Vater in einer kalten Januarnacht vor elf Jahren von ihnen gegangen war, hatte sich die Situation der Familie verbessert. Die Mutter bekam Witwenrente, eine kleine Summe nur, aber sie wurde jeden Monat ausbezahlt. Das bedeutete für Gottfrid, dass er wieder die Schule besuchen konnte. Er fuhr immer noch zum Fischen hinaus, aber nur, wenn es die Schule nicht beeinträchtigte. Und auch wenn sein Verdienst aus dem Fischfang ein willkommener Zuschuss war, so war er nicht mehr nötig, um das Überleben der Familie zu sichern.
Im selben Jahr, als er konfirmiert wurde, durfte er bei der Königlichen Generalzollaufsicht als Laufbursche anfangen. Der Zolloberinspektor, ein Mann namens Ossian Ekbohrn, war ein Bekannter seines Vaters gewesen und hatte sich des vaterlosen Jungen erbarmt. Er hatte dafür gesorgt, dass Gottfrid im Zollhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert mit seinen goldenen Dachschindeln, das majestätisch an der Hafeneinfahrt thronte, seinen Dienst antreten durfte.
Gottfrid hatte fleißig gearbeitet und war nach einigen Jahren zum Hilfszöllner befördert worden. Als er das erste Mal in seiner schneidigen Uniform nach Hause gekommen war, war die Mutter in Tränen ausgebrochen.
»Mein Junge«, hatte sie geschluchzt, und er war auf der Schwelle stehen geblieben, stolz und verlegen zugleich. Er hatte nicht gewusst, was er sagen sollte.
Der Lohn, den er bekam, war ihnen eine große Hilfe. Nun konnten sie sogar das Haus reparieren, das während der Krankheit des Vaters verfallen war. Die Mutter hatte jedoch darauf bestanden, nicht mehr Geld auszugeben als unbedingt nötig. Es wurde langsam Zeit, dass er sich eine Liebste suchte, und dafür mussten schon ein paar Münzen im Schatzkästchen klimpern. Aber schließlich war sie doch bereit, sich einen neuen seidenen Schal und ein schwarzes Konfektionskleid zu kaufen. Sie willigte sogar ein, sich von ihm ausführen zu lassen, zu einem Abendessen im Gasthaus der Witwe Wass, um seine Beförderung zu feiern.
Doch sie ließ sich nicht davon abbringen, weiterhin auf Knien liegend Dielenböden zu schrubben, mit Sand und Wasser, bis sie rein und weiß waren. Und sie wollte nichts davon hören, die Schmutzwäsche von den Waschfrauen des Ortes waschen zu lassen. Sie schleppte Wasser von der Pumpe heran, wie sie es immer getan hatte, und machte ihm Vorwürfe, wenn er mit gekauftem Backwerk nach Hause kam, um ihr eine Freude zu machen.
»Na, mal ran an den Speck, Junge.«
Adolf Wolin, Gottfrids bester Freund, knuffte ihn in die Seite.
»Du starrst sie jetzt schon den ganzen Abend an. Warum fragst du das Mädel nicht, ob es tanzen möchte?«
Gottfrid drehte seine Mütze zwischen den Fingern. Dann wagte er einen Blick auf die schöne Vendela, die mit einigen anderen Mädchen von Möja beisammenstand und lachte.
Zwar meinte er gesehen zu haben, dass sie den einen oder anderen Blick auf ihn warf, aber sicher war er sich nicht, denn ihre blonden Haare fielen ihr tief in die Stirn und verbargen ihre Augen.
Sie trug einen langen Rock, der ihr bis zu den Fußknöcheln reichte, und darüber eine weiße Bluse mit Stickereien in Gelb und Rot. Unter dem Rocksaum konnte er ihre Füße hervorblitzen sehen. Sie trug feine, geschnürte Tanzschuhe.
Jetzt war er sicher, dass sie ihm einen scheuen Blick zugeworfen hatte. Aber schon sah sie woandershin. Er erkannte mehrere ihrer Freundinnen von anderen Tanzfesten auf den Inseln im Schärengarten, und jetzt knuffte eine von ihnen Vendela mit dem Ellbogen an. Und dann fiel ihm auf, dass diese Freundin ihn vielsagend ansah.
Adolf war die Unentschlossenheit des Freundes leid und hatte sich selbst ein Mädchen zum Tanzen gesucht. Gottfrid nahm allen Mut zusammen. Er ging auf die Gruppe zu, direkt auf Vendela.
Aber plötzlich versagte ihm die Stimme, er stand vor ihr, ohne ein Wort herauszubringen. Je länger er dort stand, desto roter wurde sein Gesicht, als wäre er irgendein dummer August.
Vendela blickte ihn fragend an. Hinter ihrem Rücken hörte er albernes Kichern.
Schließlich gelang es ihm, seine Frage hervorzustoßen.
Sie lächelte und war so natürlich, so ungekünstelt und spontan,
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