Weihnachtszauber 02
eines, bei dem Sturm und Regen keine Rolle spielten.
„Was sagte Mr Winters, als er Ihnen diese Mahnung gab?“ Isabella blickte auf, um herauszufinden, ob sie eine ehrliche Antwort erhalten würde.
„Nun, ich habe ihm ganz gehörig die Meinung gegeigt“, erwiderte Hannah resolut.
„Einer von seiner Sorte stellt Forderungen an Mrs Stowe, warf ich ihm vor, und er sollte sich schämen.“
„Weil er bezahlt werden will? Das dürfen Sie ihm wohl kaum verübeln. Immerhin muss er eine Familie ernähren.“
„Und haben Sie ihm nicht stets sein Geld gegeben? Solange wir seine Kundschaft waren? Er wird’s schon noch kriegen, das habe ich ihm versichert.“
Diesmal vermutlich nicht, dachte Isabella bedrückt, weder Mr Winters noch die anderen Geschäftsleute, die mir während des Winters einen Kredit zubilligten ...
In diesen Wintermonaten hatte das Dach repariert werden müssen. Zudem hatten Hannah und ihr Mann, der das Haus wartete, die Dienste des Apothekers gebraucht.
Nach fünf Jahren war nichts von Williams Vermögen übrig geblieben, und Isabella bezog nur ihre bescheidene Witwenrente. Die genügte ihr nicht einmal, um ihr Domizil instand zu halten oder für ihr Personal zu sorgen.
„So, jetzt geht’s Ihnen besser, nicht wahr?“, meinte Hannah.
„Ja, danke“, log Isabella. Irgendwie gelang es ihr, die Haushälterin anzulächeln, die in den letzten Jahren gleichsam ein Familienmitglied geworden war.
Wie Hannah und Ned zurechtkommen sollten, wenn sie das Haus notgedrungen verkaufen würde, wollte Isabella sich gar nicht vorstellen. Die beiden befanden sich im fortgeschrittenen Alter, was die Krankheiten im vergangenen Winter bewiesen hatten, und die Arbeit fiel ihnen zusehends schwerer.
Vielleicht würde ihr der Verkaufserlös ermöglichen, für die beiden ein bescheidenes Cottage zu erwerben, in dem sie ihre letzten Jahre verbringen konnten?
Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Selbst wenn sie ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten vermochte, das Geld würde für den Lebensunterhalt des Ehepaars und ihren eigenen nicht reichen.
Bei dieser Erkenntnis der grausamen Realität musste sie geseufzt haben, denn Hannah wandte sich vom Kamin ab, wo sie das Feuer geschürt hatte, und schaute sie an.
„Soll ich Ihre Schläfen abreiben, Mrs Stowe? Mit einem Taschentuch, in Essig getränkt? Darauf schwor meine Mutter. Bis zum Tag ihres Todes litt sie an Kopfschmerzen.“
„Um meinen Kopf geht es nicht“, gestand Isabella. „In Wirklichkeit ...“ Sie zögerte, denn es widerstrebte ihr, die qualvolle Erkenntnis auszusprechen, zu der sie an diesem Morgen gezwungen wurde. „Ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll“, fuhr sie mit schwacher Stimme fort.
Um sich selber bangte sie nicht. Sie entstammte einer guten Familie und hatte eine hervorragende Ausbildung genossen. Und sie hatte weite Reisen unternommen, in einer Zeit, die diesen Luxus den meisten Engländerinnen verwehrt hatte. Sogar in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten bezweifelte sie nicht, dass sie die Stellung einer Gesellschafterin oder einer Gouvernante antreten könnte, obwohl sie nur über sehr geringe Erfahrungen mit Kindern verfügte. Andererseits, Hannah und Ned ...
„Bald wird sich alles zum Guten wenden, meine Liebe“, beteuerte die Haushälterin.
„Machen Sie sich unseretwegen keine Gedanken. Solange wir ein Dach über dem Kopf und eine Tasse Tee haben – was sollen wir uns sonst noch wünschen? Erst neulich sagte Ned, die Gartenbeete an der Seite würden sich für den Anbau weiterer Gemüsesorten eignen, weil die Morgensonne darauf scheint. Wer weiß, was ihm alles einfällt, wenn er sich damit beschäftigt!“
Als es an der Haustür klopfte, zuckten beide Frauen erstaunt zusammen. Hannah legte den Schürhaken beiseite, den sie geschwungen hatte, und wischte ihre Hände an der Schürze ab. „Wer mag das sein, bei diesem Regen?“
Das fragte sich auch Isabella. Inzwischen prasselte der Gewitterregen auf das neue Dach. In einem stummen Gebet flehte sie den Himmel an, nach der kostspieligen Reparatur möge es dem Angriff des Unwetters standhalten.
Während Hannah in der Eingangshalle verschwand, starrte Isabella wieder auf die gestapelten Rechnungen. Bitte, lieber Gott, nicht noch eine Mahnung ...
Sie hörte Hannahs Stimme, die des Besuchers nicht. Vielleicht der Nachbar? Oder ein Reisender, der sich nach dem Weg erkundigen wollte. Offenbar keiner ihrer gefürchteten Gläubiger ...
„Da ist ein
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