Weihnachtszauber 02
Schlag der schwarzen Kutsche, die vor ihrem Haus stand, schwang sofort auf, und der Gentleman stieg so schnell ein, dass sie glaubte, seine elegante Kleidung würde sich nicht einmal feucht anfühlen, wenn er sein Ziel erreichte.
Und damit ist der Fall erledigt, dachte sie entschlossen. Ihre Finger befanden sich immer noch an der Stelle, wo der Gast sie losgelassen hatte.
Hastig senkte sie ihre Hand und eilte zur Hautür, um sie zu schließen und den Wind auszusperren, der nun spürbar auffrischte. Aber bevor sie es tat, schaute sie Mr Wakefields Kutsche nach, die erstaunlich schnell davonfuhr. Anscheinend war sie ausgezeichnet gefedert, sodass die tiefen Furchen in der schlammigen Straße nicht störten.
Auf dem Weg zur Küche spähte sie in den Spiegel über einem Tisch im Vestibül.
Genau das hatte sie befürchtet. Zu spät strich sie ein paar Mal mit allen Fingern durch ihr widerspenstiges Haar, ehe sie die sinnlose Mühe aufgab. Das schwarze Kleid raubte ihren Wangen alle Farbe, die Lippen sahen ebenso rissig aus wie ihre Hände.
Bei diesem Gedanken wandte sie ihren Blick vom Spiegel ab und musterte die Finger, die der Besucher erst vor wenigen Minuten umfasst hatte. Noch immer glaubte sie, seinen warmen Atem auf ihrem Handrücken zu spüren.
Abrupt ballte sie die ausgestreckten Finger zur Faust, als wollte sie deren beklagenswerten Zustand verbergen.
Was hat der Besuch schon zu bedeuten, fragte sie sich brüsk. Nur ein unerwartetes, unterhaltsames Zwischenspiel an einem ansonsten trostlosen Tag.
Wie William während der entbehrungsreichen Feldzüge oft betont hatte – man musste dankbar für kleine Freuden sein. Und der nette, gut aussehende Mr Wakefield hatte ihrem tristen Leben ein bisschen Romantik verliehen.
Von diesem flüchtigen Glücksgefühl würde sie beklemmend lange zehren müssen.
Guy lehnte den Kopf an die dick gepolsterte Lehne in seiner Kutsche und schloss die Augen. Infolge der langen Reise nach Nottinghamshire, die er am Vortag unternommen hatte, und dem aufregenden Ende seiner zeitraubenden Suche begann er erneut an der Migräne zu leiden, die ihn regelmäßig befiel, seit er sein Sehvermögen wiedergewonnen hatte. Da er sich weigerte, die Dosis des Laudanums zu erhöhen – eine andere Hilfe konnten seine Ärzte ihm nicht anbieten –, musste er die nächsten Stunden irgendwie ertragen.
Die Lider immer noch geschlossen, rief er sich alle Einzelheiten seiner Begegnung mit Mrs Stowe ins Gedächtnis zurück. Natürlich würden diese Erinnerungen seine Schmerzen nicht verscheuchen, aber ihn wenigstens – wenn auch nur kurzfristig –
von der drohenden Attacke ablenken.
Dank der Beschreibung in Major Abernathys Brief hatte er gewusst, dass Mrs Stowe keine typische englische Schönheit war. Auf die keineswegs typische Natur ihrer Anziehungskraft war er nicht vorbereitet gewesen.
Dunkle Haare und Augen. Mit einem direkten Blick, der nicht zu höflichen gesellschaftlichen Umgangsformen passte. Ein klassisches ovales Gesicht, vielleicht etwas zu markant durch ausgeprägte hohe Wangenknochen und ein energisches Kinn. Lächelnd entsann er sich der stolzen Haltung ihres Kopfes.
Keine Schönheit, stellte er fest. Eher konnte man sie apart nennen. Oder vielleicht, wegen der ausländisch anmutenden Züge, sogar faszinierend.
Noch immer glaubte er die schmale Hand zu spüren, die sie ihm gereicht hatte, die kalten, von Arbeit geröteten Finger. Wohl kaum die Hand einer Dame. Doch der schiere erotische Reiz der Berührung hatte seinen ganzen Körper erschüttert. Nie zuvor waren solche Gefühle in ihm aufgestiegen.
Sie hatte ihn einer deplatzierten Dankbarkeit beschuldigt – mit vollem Recht, gestand er sich ein. Aber das erklärte nicht die Wirkung, die sie auf ihn ausübte.
Wenn sie ihn mit gutem Grund getadelt hatte, dann müssten ihn seine langjährige Mühe, sie aufzuspüren, und der bezeugte Dank aller Verpflichtungen entbinden. Ob dies geschehen würde? Daran zweifelte er. Jedenfalls fand er genug Zeit, um zu entscheiden, wann sie einander wiedersehen würden.
Natürlich würden sie sich wieder begegnen, das wusste er schon jetzt.
2. KAPITEL
Zwei Tage lang befasste er sich mit einem Problem. Unter welchem Vorwand sollte er Mrs Stowe noch einmal besuchen? Und am nächsten Morgen stieß er plötzlich im Flur des Gasthofs, in dem er logierte, beinahe mit einer schlanken Gestalt zusammen. Um sich zu entschuldigen, schaute er hinab – und in das Gesicht, das ihn in seinen Träumen
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