Weil deine Augen ihn nicht sehen
Angie, als sie sich die Schwierigkeiten des heutigen Tages noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Wie heißt du denn, mein Junge? – Ich heiße Kathy. Ich heiße Stevie. – Oh, meine Enkelin hat auch eine imaginäre Freundin. Und die ganze Zeit über lag ein großes Foto der Zwillinge vor ihr auf dem Tisch. Mein Gott, die Oma hätte nur ein bisschen genauer hinschauen müssen, dann hätte sie sofort die Polizei gerufen.
Um wie viel Uhr wird Clint hier sein? Wohl frühestens gegen neun. Er klang ziemlich sauer. Ich hätte ihm etwas Geld dalassen sollen. Aber er wird sich schon wieder einkriegen. Dass ich mit der Kreditkarte bezahlt habe, als ich das Zeug in Abby’s Discount gekauft habe, war natürlich ein Fehler. Ich hätte das Bargeld nehmen sollen, das mir Lucas gegeben hat. Na ja, jetzt ist es sowieso zu spät, sich darüber
Gedanken zu machen. Bis Clint auftaucht, bin ich hier erst mal in Sicherheit. Wenn er einen Wagen gemietet hat, wird er ihn wahrscheinlich irgendwo stehen lassen und einen anderen klauen, damit wir vom Cape wieder herunterkommen.
Und dann werdewir die Million ganz für uns allein haben. Eine Million D ollar! Dann werde ich mein Aussehen wirklich von Kopf bis Fuß verändern lassen, dachte Angie und griff nach der Fernbedienung für den Fernseher. Sie warf einen Blick auf das Bett. Und keine Dummheiten mehr von wegen, dass ich ein eigenes Kind haben will. Eigentlich hat man doch nichts als Ärger mit denen.
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DIE VERSCHIEDENEN Polizeibehörden hatten eine Befehlszentrale im Polizeibüro von Danbury eingerichtet. Dort waren die FBI-Agenten Tony Realto und Walter Carlson mit Captain Jed Gunther und dem Polizeichef von Danbury in einem Besprechungsraum zusammengekommen.
»Wir wissen jetzt, dass Clint Downes und Lucas Wohl Zellengenossen in Attica waren«, sagte Realto. »Sie haben beide den ersten Hafturlaub genutzt, um unterzutauchen und sich eine neue Identität zuzulegen. Es ist ihnen gelungen, viele Jahre hindurch für die Behörden unauffällig zu bleiben. Wir wissen jetzt auch, wie Baileys Kreditkarte benutzt werden konnte, um den Wagen bei Excel zu mieten. Lucas kannte die Nummer, weil er Bailey oft gefahren hat und Bailey ihn mit der Kreditkarte bezahlt hat.«
Realto hatte mit neunzehn Jahren zu rauchen aufgehört, doch jetzt verspürte er tatsächlich Lust auf eine Zigarette. »Nach Gus Svensons Aussage lebt Angie seit sieben oder acht Jahren mit Clint zusammen«, fuhr er fort. »Leider konnte in der gesamten Hausmeisterwohnung von keinem der beiden ein Bild gefunden werden. Mit den alten Polizeifotos wird Downes kaum mehr Ähnlichkeit haben. Am besten, wir geben den Medien ein Phantombild und eine Beschreibung der beiden zur Veröffentlichung.«
»Irgendjemand hat nicht dichtgehalten«, sagte Carlson. »Es geht bereits das Gerücht um, dass Kathy noch am Leben ist. Sollen wir dazu Stellung nehmen?«
»Noch nicht. Ich fürchte, wenn wir jetzt offiziell verkünden, dass wir glauben, Kathy sei noch am Leben, könnte das unter Umständen für sie das Todesurteil bedeuten. Im Moment sind sich Clint und Angie vermutlich bereits bewusst, dass wir sie überall suchen, und wenn ihnen klar wird, dass jeder Polizist in ganz Amerika jedem dreijährigen Kind, das ihm über den Weg läuft, genau ins Gesicht schaut, könnten sie in Panik geraten und auf den Gedanken kommen, sich ihrer zu entledigen. Solange sie überzeugt sind, dass wir Kathy für tot halten, könnten sie weiter versuchen, als Familie durchzugehen.«
»Margaret Frawley ist felsenfest davon überzeugt, dass die Zwillinge untereinander kommunizieren können«, sagte Carlson. »Ich habe eigentlich gehofft, dass sie sich bei mir melden würde. Ich weiß, dass sie mich sofort angerufen hätte, wenn Kelly etwas Bedeutsames gesagt hätte. Ist der Beamte, der sie nach Hause gefahren hat, irgendwo in der Nähe?«
»Das war Ken Lynch«, sagte der Polizeichef von Danbury. »Soviel ich weiß, ist er mittlerweile wieder zurück.« Er nahm den Hörer des vor ihm stehenden Apparats auf. »Geben Sie Lynch durch, er soll herkommen.«
Eine Viertelstunde später betrat Lynch den Raum. »Ich bin mir sicher, dass Kelly mit ihrer Schwester in Verbindung steht«, berichtete er. »Ich stand genau daneben, und sie hat steif und fest behauptet, dass Kathy auf Cape Cod ist.«
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ES GAB NICHT VIEL Verkehr auf der Sagamore-Brücke. Clints Ungeduld wuchs, als er den Cape Cod Canal überquerte und immer wieder auf die Geschwindigkeitsanzeige
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