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Weil du mich fesselst

Weil du mich fesselst

Titel: Weil du mich fesselst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Kery
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Verantwortung dafür tragen, dass sie einen kranken Psychopathen aus ihm gemacht hatte, der offensichtlich Frauen so sehr hasste, dass er von ihnen besessen war. Aber Gaines’ Verbrechen gingen weit über das hinaus, was man mit der schwachen Erklärung einer egoistischen Mutter entschuldigen konnte.
    Er blickte sich um und sah, dass das eingestürzte Möbelstück eine Bodendiele zerbrochen hatte. Er kniete sich nieder und schob mit deutlichem Missfallen Schutt beiseite, von dem nicht wenig unter seinem groben Griff zerbröselte.
    Er packte die gerissene Diele und riss sie ganz auf, wobei das Geräusch des zerbrechenden Holzes wie ein Schuss durch die Stille des Dachbodens hallte. Im dämmrigen Abendlicht, das durch die staubigen Fenster fiel, erkannte er etwas Helles. Mit den Fingern ertastete er ein elastisches Material. Aus dem Fach unter dem Boden zog er schließlich einen löchrigen Büstenhalter und eine Handvoll mottenzerfressener Frauenschlüpfer. Vor seinen Augen kroch eine Kakerlake aus einem der Löcher. Er warf die verrotteten Kleidungsstücke mit einem Laut der Verachtung auf den Haufen Abfall.
    Ein lautes, scharfes Lachen überraschte ihn in diesem Moment. Ian stand schnell auf und nahm, ganz automatisch, eine Verteidigungshaltung ein.
    »Er hat sich immer ein Stück von ihnen mitgenommen – von allen seinen Frauen«, stichelte der bärtige, ungeschlachte Mann.
    »Hau ab, du Penner. Wie oft muss ich dich noch rausschmeißen? Ich habe dieses Haus gekauft. Es ist jetzt meins. Du kannst jetzt nicht mehr wie früher einfach kommen und gehen«, rief Ian aufgebracht und trat über die knackenden Holzdielen auf den Mann zu. Er hätte in diesem Moment nichts lieber getan, als zuzuschlagen. Das wäre ein wesentlich besseres Ventil für all seine Wut und Depression, als sich durch den Schmutz zu wühlen, den Trevor Gaines von seinem nutzlosen Leben übrig gelassen hatte. Er packte den Mann am Kragen seines dreckigen Hemdes und drückte seinen großen, soliden Körper an die Wand neben dem Treppenhaus.
    Luft kam zischend aus dessen Lunge. Ian presste seinen Unterarm gegen die Kehle des Obdachlosen, der Blutrausch ließ sein Herz bis in seine Ohren schlagen. Trotz dieser groben Behandlung gelang Reardon sein raues Lachen. Ians Wut wurde durch dieses wilde Heiterkeit nur noch ärger.
    »Vielleicht, vielleicht«, Reardons Augen blickten mitten in Ians verzerrtes Gesicht, »möglicherweise ist das ja dein Haus. Möglicherweise gehörst du ja wirklich hierher. Ich weiß, wer du bist.«
    In Ians Wut mischte sich Überraschung. Sie sprachen nicht Französisch miteinander, was hier angebracht gewesen wäre, sondern Englisch. Und obwohl seine Stimme rau war, so waren seine Sätze doch eher kultiviert. Die Einwohner in der Umgebung waren Ian gegenüber eher misstrauisch, doch ein paar neu Hinzugezogene nannten ihm den Namen des örtlichen Obdachlosen, der illegal irgendwo in den Wäldern auf dem Gutsgrundstück lebte. Ian hatte Kam Reardon bereits zweimal aus dem Landhaus geworfen. Zunächst hatte er vermutet, der Obdachlose würde sich an seinen Lebensmittelvorräten bedienen. Doch schnell merkte er, dass da nichts fehlte. Dann kam ihm der Verdacht, Reardon würde elektronische Ausrüstung und Material aus Trevor Gaines ’ Werkstatt mitgehen lassen. Und bis dahin hatte Ian nicht gedacht, dass Reardon mehr als nur zwei Flüche und einen Grunzlaut aneinanderreihen könnte.
    »Ich weiß auch, wer du bist«, knirschte Ian und hob seinen Unterarm so, dass er dem anderen Mann die Luft abdrückte und sein Kopf mit einem dunklen Schlag gegen die Wand knallte. »Du bist ein Dieb, ein Wilderer und überhaupt Platzverschwendung auf dieser Welt.«
    »Sind wir das nicht alle? Sind wir nicht alle nur seine hässlichen Überbleibsel, auch nicht besser als diese vergammelten Schlüpfer, die du da eben gefunden hast? Überleg doch mal«, fügte Reardon mit erstickter Stimme hinzu, während seine Augen in hämischer Belustigung funkelten, »manche dieser hübschen kleinen Dinger könnten auch deiner Mutter gehört haben.«
    Die Bemerkung reizte Ian bis zur Weißglut. Er hob seine Faust und wollte zuschlagen, als sein Blick zufällig den des Landstreichers traf. Stechende, hellgraue Augen blitzten aus einem leicht grimmigen, dick mit einem Bart bewachsenen Gesicht. Luciens Augen …
    Es war, als hätte man ihm einen Kübel Eiswasser ins Gesicht gekippt.
    Während er den Blick erwiderte, erfasste ihn der Horror.
    »Hau ab«, krächzte er.

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