Weil du mich siehst
Zufrieden lächelte sie und ließ ihre Hand in den Schoß fallen, wo Finn sie gleich wieder unter Beschlag nahm.
MÖCHTEST DU DICH MORGEN MIT MIR TREFFEN?
Hatte er das gerade wirklich geschrieben oder hatte sie die Worte falsch gelesen? Es war gar nicht so einfach, die geschwungenen Linien und Kurven zu entziffern. Doch es war ein Anfang und sie war sich sicher, dass es schon sehr bald besser klappen würde.
»Hast du gerade gefragt, ob ich dich morgen treffen will?«, fragte sie, um sicher zu gehen. Wenn es etwas anderes war, wäre das jetzt ganz schön peinlich.
Doch Finn schrieb: JA.
»Soll das ein Date werden?«, fragte sie fröhlich.
Sie hörte ein kleines Lachen. Lachen konnte er also noch. Nur Worte wollten seinen Mund nicht mehr verlassen.
JA, WENN DU WILLST.
»Sehr gerne«, hörte sie sich sagen, noch bevor sie es selbst wusste.
Sie konnte Finns breites Grinsen nicht sehen. Im Gegensatz zu allen anderen im Raum. Und die meisten grinsten mit ihm.
Annäherungen
Paula saß geschafft am Küchentisch. Sie hatte die Wohnung geputzt, so gut, wie sie es an einem Vormittag schaffen konnte. Sie hatte sich ihren besten Pulli – lila mit aufgestickten Blümchen – herausgesucht, dazu trug sie allerdings ihre Lieblingsjeans, denn sie wollte sich wohlfühlen. Sie musste sich wohlfühlen zu diesem Anlass. Ihr erstes Date seit über zehn Jahren.
Die Beziehung zwischen ihr und Max war eine besondere gewesen. Sie hatten sich bereits auf dem Gymnasium kennengelernt, in der neunten Klasse, und sofort gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren. Max war ihr erster und einziger Freund gewesen, der Einzige, mit dem sie je zärtlich gewesen war, der Mann, von dem sie wusste, dass sie mit ihm alt werden wollte.
Damals hätte sie nie daran gedacht, dass ihre Liebe ein so abruptes Ende haben würde.
In einer halben Stunde war es soweit. Sie war ganz überrascht gewesen, als Finn sie am Tag zuvor fragte, ob sie sich treffen wollen. Trotzdem hatte sie zugesagt. Warum, wusste sie eigentlich selbst nicht, vielleicht weil es schön wäre, einfach nur mal mit jemandem zusammen zu sein.
Sie hatte ihm ihre Adresse und ihren Nachnamen gesagt und er hatte auf ihren Arm geschrieben, dass er um drei Uhr da sein werde. Jetzt war es halb drei und Paula war ganz hibbelig vor Aufregung. Sie konnte nicht stillsitzen und ging an den Küchenschrank, um sich ein Stückchen Schokolade herauszuholen – für die Nerven. So aufgeregt, wie sie war, hätte sie gleich zehn Tafeln gebraucht, aber sie beließ es bei einem Stück. Dann setzte sie sich wieder.
Nach fünf Minuten stand sie auf und holte sich ein weiteres Stück Schokolade, und setzte sich wieder. Dann klingelte es. War es schon soweit? Sie befragte ihr Handy. »Es ist vierzehn Uhr dreiundvierzig.«
Sie musste lächeln. Ging es Finn etwa genauso wie ihr? War er genauso aufgeregt und war er genauso ängstlich vor dem, was ihn erwartete?
»Hallo?«, fragte sie in die Sprechanlage und merkte im selben Moment, wie überflüssig das war. Natürlich würde sie keine Antwort bekommen.
Er hörte, wie sie durch die Sprechanlage sprach und öffnete seinen Mund. Doch natürlich kam kein Ton heraus. Hoffentlich würde sie ihm aufmachen. Sie hätten irgendein Zeichen ausmachen sollen. Es musste angsteinflößend für Paula sein, nicht zu wissen, wen sie in ihre Wohnung ließ.
Sie drückte auf den Summer, öffnete die Wohnungstür und hoffte, es würde auch wirklich Finn sein. Eine Minute später war sie sich sicher, denn derjenige, der vor ihr stand, nahm ihre Hand in seine und da war es wieder … ein unbeschreibliches Gefühl von Wärme und Vertrauen und Geborgenheit.
Eifrig und auch ein wenig schüchtern ließ sie ihn herein.
Finn betrat die Wohnung. Sie war klein, spärlich eingerichtet und irgendwie unpersönlich, doch das sah Paula natürlich nicht. Er sah sie an, sie war wunderschön in ihrem lila Pullover, mit offenen Haaren und ein wenig glänzenden rosa Lippen – ihre Narben sah er nicht.
Schon bereute er, ihr keine Blumen mitgebracht zu haben. Er hatte daran gedacht, doch dann war ihm klargeworden, dass sie sie überhaupt nicht sehen könnte und hatte es taktlos gefunden. Jetzt aber mit leeren Händen dazustehen fand er auch blöd.
»Wie geht es dir, Finn?«, fragte Paula und geleitete ihn ins Wohnzimmer, wo sie sich nebeneinander aufs Sofa setzten.
So viel Nähe war sie gar
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