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Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
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Gefühl, dass es jemanden gab, der ihm zuhörte, der in sein Herz sehen wollte, wusste Paula nur zu gut, dass es ihm gut getan hatte. Er hatte sich geöffnet, sich alles von der Seele gesprochen , war umarmt und getröstet worden. Ein wenig war sie sogar neidisch auf ihn, denn wie gerne hätte sie sich auch einmal so fallenlassen.
     
    Falls er mich wiedersehen will, falls er sich selbst und uns eine zweite Chance gibt, werde ich es tun. Ich werde ihm meine Geschichte erzählen, dachte Paula. Das bin ich nicht nur ihm, sondern auch mir selbst schuldig.

Liebe
     
     
    Paula vermisste Finn. Nun dachte sie nicht die ganze Zeit über nur an Damian, sondern auch an ihn. Am Freitag erschien er nicht zur Gruppentherapie. Sie machte sich Gedanken, aber konnte nachvollziehen, dass er sich schämte. Sie wusste, dass er allein ihretwegen nicht kam.
     
    Als er am Dienstag wieder nicht kam, fing sie an, sich Sorgen zu machen. Es war genau eine Woche her, dass er bei ihr gewesen war und sich ausgesprochen und ausgeweint hatte, dass er verwirrt und beschämt davongelaufen war, und so langsam sollte er seinen inneren Schweinehund überwunden haben, oder?
     
    Nach der Sitzung fragte Paula Johannes nach Finns Telefonnummer. Eigentlich dürfte er die ihr nicht weitergeben, sagte Johannes, doch selbst er hatte bemerkt, dass zwischen Paula und Finn ein zärtliches Band bestand, und er wollte auf keinen Fall, dass es riss.
     
    Er sagte ihr die Nummer dreimal, bis sie sie sich merken konnte. Und am nächsten Tag, nachdem sie mit Kathi einkaufen gegangen war, rief sie Finn an.
     
    Kathi hatte sie, bevor sie ging, gefragt, was sie heute noch so vorhabe und sie hatte geantwortet, sie wisse es noch nicht. Vielleicht eine Liebesgeschichte anhören.
     
    Das Telefon klingelte und Finn beachtete es gar nicht. Er ließ wie immer den Anrufbeantworter drangehen. Wozu sollte er den Hörer abnehmen, er konnte ja doch nichts sagen.
     
    Dann hörte er, wie jemand drauf sprach. Es war Paula.
     
    »Finn? Hallo, hier ist Paula. Bist du zu Hause?« Sie machte eine Pause. »Bitte, wenn du da bist, nimm doch ab.«
     
    Er ging zum Telefon, nahm den Hörer allerdings nicht ab.
     
    »Also gut«, sagte sie. »Ich möchte dir etwas sagen. Ich fand unser Treffen letzten Dienstag sehr schön, ich habe mir gerne deine Geschichte angehört. Und es muss dir absolut nichts peinlich sein, hörst du? Ich habe kein anderes Bild von dir, als ich es vorher hatte. Ganz im Gegenteil, ich bin gerührt und dankbar, dass du dich mir anvertraut hast. Ich … wenn du mich lässt, würde ich dir auch gerne meine Geschichte erzählen. Du kannst jederzeit zu mir kommen. Nur wenn du willst natürlich. Wenn nicht, verstehe ich das auch. Es liegt allein an dir. Also, ich bin da. Ach, und bitte komm wieder zu den Gruppentreffen, wir vermissen dich. Mach`s gut und hoffentlich bis bald.«
     
    Paula legte auf. Sie hätte ihm so gern gesagt, wie sehr er ihr fehlte, doch sie hatte Angst, sein Vater könnte es hören. Sie vermutete, dass er zu dieser Zeit arbeitete und Finn allein zu Haus war, doch sie war sich halt nicht sicher. Und eigentlich war der wahre Grund, dass sie sich nicht traute, es ihm zu sagen. Dieses ganze Gefühlswirrwarr in ihrem Kopf war etwas ganz Neues. Sie musste erst einmal sehen, wie sie damit klarkam. Trotzdem, sie hatte ihm gesagt, dass die Gruppe ihn vermisste, sie hoffte, er wusste, was sie damit eigentlich meinte.
     
    Finn starrte noch eine ganze Weile auf das Telefon, dann hörte er sich die Nachricht noch einmal an. Dann noch einmal. Immer wieder wollte er ihre Stimme hören, die wundervollen Worte, die sie sagte.
     
    Er liebte sie. Das wusste er. Auch wenn er sie noch nicht lange kannte, war sie der einzige Mensch auf der Welt, der für ihn da war. Der ihm zuhörte. Der ihn sah. Für alle anderen war er doch unsichtbar. Nur sie, die Frau, die nicht sehen konnte, sah ihn. Wollte ihn sehen. Wollte ihn kennen. Wollte seine Geschichte hören.
     
    Das Schlimme war, dass er nicht wusste, wie er mit diesen Gefühlen umgehen sollte. Sie waren ganz neu für ihn, er hatte noch nie ein Mädchen oder eine Frau geliebt. Damals, vor dem Unfall, war er in ein Mädchen aus seiner Klasse verknallt gewesen, hatte sie ein-, zweimal geküsst, aber mehr war nie gelaufen. Er war noch nie zärtlich mit einer Frau gewesen. Er hatte noch nie jemandem »Ich liebe dich« gesagt.
     
    Nach dem Unfall hatte er die Schule abgebrochen und das Mädchen nie wieder gesehen. Er wusste

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