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Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
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nicht mehr gewöhnt. Sie hatte auch ein komisches Gefühl dabei, einen Mann in ihre Wohnung gelassen zu haben. Sich überhaupt mit einem anderen Mann zu treffen. Was würde Max dazu sagen?
     
    Max ist seit über zwei Jahren tot und wird auch nicht wiederkommen! , sagte sie sich innerlich. Also denk nicht weiter darüber nach, sondern genieße dieses Gefühl, das der Junge bei dir auslöst, auch wenn es verrückt ist. Wahrscheinlich hätte Max es sogar gewollt.
     
    Natürlich hätte Max es gewollt. Er hätte sogar erwartet, dass sie, noch so unglaublich jung, ihr Leben weiterlebte, glücklich wurde. Manchmal fragte sie sich, was er wohl zu ihr sagen würde, wenn er sie jetzt sehen könnte. Er wäre sicher mehr als enttäuscht von ihr.
     
    Finn saß neben Paula auf dem Sofa und bewegte langsam seine Hand auf ihren Arm zu; er wollte sie nicht erschrecken. Behutsam krempelte er ihren Ärmel hoch – den linken. Er wollte, dass sie wusste, dass es ihm nichts ausmachte.
     
    Was tat er da? Warum nahm er ihren linken Arm? Er wusste doch genau, was darauf zu sehen war. Wollte er ihr damit beweisen, dass es ihm nichts ausmachte? Sie wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder es ihr unangenehm sein sollte.
     
    GUT, schrieb er. Es ging ihm gut.
     
    Sie musste ihn einfach fragen: »Finn, warum dieser Arm?«
     
    Er betrachtete ihren Arm, der trotz seiner vergangenen Wunden zierlich und grazil war, und wunderschön wie alles an ihr. Er schob seinen eigenen Ärmel nach oben und führte ihre Hand an seinen Arm.
     
    Paula fühlte sie, die gleichen Narben, die auch ihre Handgelenke verzierten. Er wusste also davon, er verstand ihre Narben, denn er hatte sie auch.
     
    Sie wandte sich ihm zu: »Es tut mir sehr leid.«
     
    MIR AUCH, schrieb er.
     
    »Du bist noch so jung.«
     
    DU AUCH.
     
    »Ach, weißt du, ich fühle mich unglaublich alt, so als hätte ich mein Leben bereits hinter mir.«
     
    ICH WEISS, WAS DU MEINST.
     
    »Wirklich?«
     
    JA.
     
    »Vermisst du deinen Bruder?«, traute sie sich zu fragen.
     
    AN JEDEM EINZELNEN TAG.
     
    »Geht mir genauso. Es vergeht keine Minute, in der ich nicht an die beiden denke.«
     
    MAGST DU MIR VON IHNEN ERZÄHLEN?
     
    Sollte sie? Sie sprach nie von ihnen. Sie gehörten doch ihr, die Erinnerungen, nur ihr allein. Was, wenn sie sich in Finn täuschte? Wenn er ihr Vertrauen missbrauchte?
     
    »Sei mir nicht böse, aber das kann ich nicht.«
     
    IST OKAY. DARF ICH DIR VON BARNE ERZÄHLEN?
     
    Er wollte so gerne über Barne sprechen . Mit seinem Vater konnte er es nicht. Manchmal hatte er das Gefühl, als würde Barne ihm langsam entgleiten, als würde die Erinnerung verschwimmen. Er vertraute Paula, wusste, dass sie nichts von dem, was er ihr anvertraute, weitergeben würde. Außerdem würde er mit dem Erzählen seiner Geschichte vielleicht auch ihr Vertrauen gewinnen und sie würde sich ihm öffnen, wenn auch nur ein kleines bisschen.
     
    »Ja, natürlich.«
     
    ICH GLAUBE, DAS WIRD EINE WEILE DAUERN, sagte er.
     
    »Ich habe alle Zeit der Welt.« Sie lächelte ihn zuversichtlich an.
     
    Finn schloss die Augen und dachte an seinen kleinen Bruder. Er wäre jetzt dreizehn Jahre alt, ein Teenager, vielleicht sogar in ein Mädchen verliebt. Finn stellte ihn sich manchmal vor, wie er jetzt aussähe. Er wäre groß gewachsen, ein Einser-Schüler, spielte Gitarre und wäre beliebt bei seinen Freunden. All das hatte Finn ihm für immer verwehrt, nur weil er einen Augenblick lang nicht aufgepasst hatte.
     
    ICH WAR SCHON SIEBEN JAHRE ALT, ALS BARNE AUF DIE WELT KAM. UNSERE MUTTER STARB BEI DER GEBURT, WAS MEINEN VATER SCHRECKLICH MITNAHM. VON DA AN WAR BARNE EINFACH ALLES FÜR IHN. ER LIESS IHN NIE AUS DEN AUGEN, NICHT EINMAL, ALS ER EIGENTLICH SCHON ALT GENUG WAR, UM ALLEIN KLARZUKOMMEN. ER BRACHTE IHN MORGENS IN DIE SCHULE UND HOLTE IHN NACHMITTAGS WIEDER AB. SELBST WENN BARNE MIT FREUNDEN SPIELTE, WAR MEIN VATER NIE WEIT ENTFERNT.
    ER KÜMMERTE SICH SO SEHR UM BARNE, DASS ICH IHM MEHR UND MEHR EGAL WURDE. ICH WAR NUR GUT GENUG, WENN ER MICH DRINGEND FÜR IRGENDWAS BRAUCHTE, SO WIE AN DIESEM FREITAG NACHMITTAG. ER HATTE EINE BESPECHUNG BEI DER ARBEIT UND BAT MICH, ODER BESSER BEFAHL MIR, GUT AUF BARNE ZU ACHTEN. ICH HOLTE IHN VOM HORT AB UND WIR FUHREN MIT DEM FAHRRAD ZUM SEE. WIR HATTEN SPASS, GINGEN SCHWIMMEN. DANN SAH ICH IHN NICHT MEHR.
    ICH WEISS BIS HEUTE NICHT, WAS EIGENTLICH PASSIERT IST. ER MUSS IM WASSER EINEN KRAMPF GEHABT HABEN ODER SO, DENN ER WAR EIGENTLICH

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