Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil du mich siehst

Weil du mich siehst

Titel: Weil du mich siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Inusa
Vom Netzwerk:
der anderen Gruppenmitglieder und auch nicht Johannes sagte etwas. Niemand störte sich daran, dass zwei von ihnen zueinandergefunden hatten und aus Zweien Eins geworden war. Niemand störte sich am Altersunterschied, niemand war neidisch oder angewidert. Denn sie wussten, welche Bürden überwunden werden mussten, um solch ein Glück wieder zuzulassen. Keiner von ihnen würde sich anmaßen, Urteile zu fällen.
     
    Ayla erzählte von den Albträumen, die sie in letzter Zeit verfolgten und Horst gestand, dass er nach drei Jahren ohne Alkohol wieder rückfällig geworden war. Paula und Finn nahmen wie immer Anteil an dem Schicksal der anderen, und doch war heute etwas anders. Sie waren nicht mehr allein mit ihrem eigenen Schicksal.
     
    Sie hatten zueinandergefunden. Wer sie zusammengeführt hatte, ob Gott, das Schicksal, eine Kette von Zufällen, wussten sie nicht, und es spielte auch keine Rolle; die Hauptsache war, dass sie einander gefunden hatten und sich der Liebe nicht in den Weg stellten. Was für eine Art von Liebe es war und was aus ihr werden sollte, war noch ungewiss.

Zweisamkeit
     
     
    Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, stiegen Paula und Finn an diesem Abend zusammen in das Auto des Fahrdienstes und ließen sich zu Paulas Wohnung fahren. An diesem Abend brauchte der Fahrer Paula nicht nach oben zu begleiten, denn das tat Finn.
     
    Paula schloss die Tür auf und zog sich drinnen die Schuhe aus. Finn tat es ihr gleich. Dann hielt Paula ihm die Hand hin, die er ergriff, und führte ihn in die Küche.
     
    »Ich möchte mir einen Tee machen. Trinkst du einen mit?«, fragte sie und holte sich einen braun-grünen Becher aus dem Schrank.
     
    Wie gerne hätte Finn ihr geantwortet. All die Jahre hatte er nicht das Bedürfnis gehabt zu sprechen, doch an diesem Abend wollte er einfach nur sagen können, dass er gerne einen Tee mit ihr trinken wollte.
     
    Er stand auf und drückte ihre Hand. JA.
     
    »Ja? Okay. Ich habe zwei verschiedene Sorten. Die runden Beutel sind schwarzer, die eckigen Orangentee. Nimm dir, welchen du magst.«
     
    Sie hielt ihm die Dose hin und er nahm sich einen runden Beutel. Er beobachtete sie dabei, wie sie den Wasserkocher zum Wasserhahn führte und füllte, wie sie ihn anschaltete, einen Orangenteebeutel in ihren Becher tat, dazu zwei Würfel Zucker und einen Löffel aus der Schublade.
     
    »Bedien dich bitte«, sagte sie und er machte sich seinen Becher zurecht.
     
    Finn war ziemlich beeindruckt von der Souveränität, mit der Paula die Dinge erledigte. Er konnte sich nicht vorstellen, Alltägliches tun zu müssen, ohne es sehen zu können. Sicher hätte er sich die Hand verbrüht bei dem Versuch, das kochende Wasser in die Tasse zu füllen, und er wollte Paula schon diese Aufgabe abnehmen, als ihm der Gedanke kam, dass sie das als beleidigend empfinden könnte. Er wollte nicht, dass sie dachte, dass er sie für schwach hielt oder für nicht fähig, so etwas hinzubekommen. Also überließ er es ihr. Schließlich musste sie täglich damit zurechtkommen.
     
    Sie füllte das Wasser in die Becher, ohne einen Tropfen zu verschütten und er war extrem stolz auf sie. Langsam hob er seine Hand zu ihrem Haar und streichelte es. Paula hielt inne und genoss diese Berührung sichtlich.
     
    »Ich hab dich so vermisst«, sagte sie.
     
    Ich dich auch, dachte Finn. Er trat ganz nah an sie heran und umarmte sie.
     
    »Ich glaube, das soll heißen, dir ging es ähnlich, oder?«, sagte Paula und ließ sich halten.
     
    Sie spürte Finns Wärme, konnte jede Faser an ihm riechen – eine Mischung aus After Shave, den Brezeln, die es heute nach der Therapie gegeben hatte, Zigaretten, obwohl sie sich nicht sicher war, ob das von ihm kam, und Angst. Er fürchtete sich genauso wie sie – vor dem Neuen, davor, etwas zuzulassen, von dem man dachte, dass man es eigentlich nicht verdiene, und Zurückweisung.
     
    »Finn«, sagte sie liebevoll. »Lass uns ins Wohnzimmer gehen und da weitermachen, wo wir letzte Woche aufgehört haben.«
     
    Finn sah sie überrascht und überwältigt an. Konnte es sein, dass sie ihn auch liebte? Natürlich bedeutete Liebe für jeden etwas anderes. Für ihn bedeutete es, Paula nie wieder loslassen zu wollen, sie für immer in seiner Nähe zu wissen. Und wenn es für sie auch nur bedeutete, nur mal eine Nacht nicht allein sein zu wollen, dann war das für ihn genug.
     
    Er nahm ihre freie Hand – in der anderen hielt sie ihren Tee – und führte sie

Weitere Kostenlose Bücher