Weil du mich siehst
die halfen nicht einmal. An diesem Morgen nahm sie drei. Ach, was soll`s , dachte sie, warum nicht ein paar mehr nehmen. Sie nahm eine nach der anderen, und wusste genau, was sie tat.
Als die Packung leer war, fragte sie sich, ob sie Damian je wiedersehen würde und es tat ihr leid, sich nicht von ihm verabschiedet zu haben. Dann kam ihr Finn in den Sinn. Finn. Er war so gut zu ihr gewesen, sie hatte ihn gar nicht verdient. Hätte er sich doch eine andere gesucht. Der gute Finn.
Dann sah sie Max vor sich. Sie hörte das leise Wimmern von Louisa. Sie sah ein Licht, es war so unglaublich hell und hüllte sie ein – sie sah wieder … und dann sah sie nichts mehr.
♥
Finn ging die Straße entlang. Er atmete die kühle Winterluft tief ein und überlegte, was er tun sollte. Es war nicht richtig gewesen, so einfach aus der Wohnung zu verschwinden. Sicher war Paula ganz bedrückt – oder es machte ihr überhaupt nichts aus. Was Paula betraf, wusste er gar nichts mehr.
Nach weiteren zehn Minuten erkannte Finn, dass nur eines zu tun war: Er musste sofort nach Hause und mit Paula sprechen . Er musste ihr sagen , wie sehr er sie liebte und dass, egal, was es war, er zu ihr stehen würde. Sie konnte ihm alles anvertrauen, wie schlimm auch immer es sein mochte.
Er rannte zurück, so schnell, dass seine Lungen wehtaten. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass er eiligst zu Paula musste, dass sie ihn brauchte.
Er schloss die Tür auf und blieb kurz im Flur stehen, beugte sich nach vorn, die Hände auf den Knien, und versuchte, ruhig durchzuatmen. Dann ging er in die Küche. Paula saß nicht mehr am Frühstückstisch. Er sah auf die Uhr – es war bereits über zwei Stunden her, seit er gegangen war. Wo war die Zeit bloß geblieben?
Im Wohnzimmer war Paula auch nicht. Finn sah ihr Handy auf dem Couchtisch liegen und nahm es in die Hand. Elf Anrufe in Abwesenheit. Anrufe von Sandra. Und eine Nachricht. Finn öffnete sie.
WICHTIG!!! FINN, ICH VERSUCHE DIE GANZE ZEIT, DICH ZU ERREICHEN. ICH HABE HEUTE MORGEN MIT DAMIAN GESPROCHEN, IHN GEFRAGT, OB ER WÜSSTE, OB IRGENDWAS MIT PAULA SEI. ER ANTWORTETE, DASS SEINE MAMA BESTIMMT BÖSE AUF IHN SEI, WEIL ER IHR GESAGT HABE, ER WOLLE BEI UNS BLEIBEN UND NICHT ZU IHR ZIEHEN. SIE MUSS FIX UND FERTIG SEIN. WENN ICH DAS NUR GEWUSST HÄTTE. BITTE KÜMMERE DICH GUT UM SIE. ICH WERDE KOMMEN, SOBALD …
Finn las die SMS nicht zu Ende, sondern schmiss das Telefon zurück auf den Tisch. Wo zum Teufel war Paula???
Er stürmte ins Schlafzimmer und dort lag sie – auf dem Boden neben dem Bett. Sie war zusammengebrochen. Ängstlich schmiss Finn sich auf die Knie und streichelte ihr übers Gesicht. Er schüttelte sanft ihre Schultern, dann, als sie nicht reagierte, doller. Paula , dachte er, nein, bitte nicht …
Da er nicht wusste, warum sie zusammengesackt war, ob es wegen des Kummers war oder weil sie seit Tagen kaum etwas gegessen hatte, sah er sich hilfesuchend um. Er entdeckte eine Packung Tabletten auf dem Bett – eine leere Packung. Hatte sie die etwa alle genommen?
Er fühlte Paula ab, fühlte nach einem Puls, doch er war nicht sicher, ob der noch da war, ob ihr Herz noch schlug. Panisch stand er auf und lief zum Telefon. Er nahm den Hörer ab, wählte die Notfallnummer und … was sollte er machen?
Nach kaum fünf Sekunden meldete sich eine Stimme, die fragte, wie sie helfen könne. Wie sollte er der Frau nur verständlich machen, was los war? Sie fragte erneut, wie sie helfen könne.
Finn wusste, dass er Paulas einzige Chance war und schrie ins Telefon: »Bitte, ich brauche Hilfe. Meine Freundin liegt leblos am Boden!«
Er hatte gesprochen! Er hatte wirklich gesprochen! Es hatte solch eines schrecklichen Ereignisses bedurft, die stillen Worte laut hinauszuschreien. Finn sagte der Frau Paulas Adresse und legte auf. Sofort war er wieder an ihrer Seite und hielt sie.
»Bitte stirb nicht, Paula. Bitte bleib bei mir. Ich muss dir doch noch sagen, dass ich dich liebe.«
Einsichten
Finn saß an Paulas Bett und hielt ihre Hand. Um sie herum war es weiß, wie es in einem Krankenhaus typisch ist. Vor vielen Stunden waren die Sanitäter gekommen und hatten ihr den Magen ausgepumpt. Hätte Finn nicht so schnell reagiert, hätte er nicht seine Blockade überwunden, hätte er nicht endlich gesprochen, hätte Paula es nicht geschafft.
Er hatte ihr das Leben gerettet und war unendlich erleichtert – noch einen Menschen
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