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Weil Ich Euch Liebte

Weil Ich Euch Liebte

Titel: Weil Ich Euch Liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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beiden klemmten noch ein paar von Sheilas Haaren. Eins dieser Dinger, die aussahen wie Filzstifte, mit dem man Flecken entfernen konnte. Sheila war immer auf irgendein Fast-Food-Malheur vorbereitet. Taschentücher. Eine kleine Packung Pflaster. Eine halbe Packung Zahnpflegekaugummi Geschmacksrichtung Cool Lime. Wenn wir uns mit Freunden trafen oder ihre Mutter besuchten, hatte sie sich im Auto immer zu mir gebeugt und meinen Atem geschnuppert. »Kau einen davon«, hatte sie gesagt. »Schnell. Du riechst wie ein Elchkadaver.« Dann waren da noch mehrere Bankomat-Quittungen, Kassenbelege von Drogerien und Lebensmittelläden, ein paar Visitenkarten, eine von der Kosmetikabteilung eines Kaufhauses, zwei von Einkaufstouren nach New York. Eine kleine Flasche Desinfektionsmittel für unterwegs. Ein paar kleine Haargummis, die sie immer für Kelly dabeihatte, ein Lippenstift von Bobby Brown, Augentropfen, ein Schminkspiegel, vier Nagelfeilen, ein kleiner Kopfhörer, den sie sich im Flugzeug gekauft hatte, als wir vor über einem Jahr zu einem verlängerten Wochenende nach Toronto geflogen waren. Als langjähriger Hockey-Fan wollte sie in Wayne Gretzkys Restaurant essen. »Wo, zum Teufel, ist er denn?«, fragte sie. »In der Küche«, sagte ich. »Der macht gerade dein Sandwich.«
    Eine Erinnerung zu fast jedem Stück. Und weit und breit kein einziger Kassenzettel von einem Schnapsladen. Auch keine verschreibungspflichtigen Medikamente.
    Es gab viele Gegenstände, bei denen ich mich länger aufhielt, aber einen gab es, der mich besonders interessierte.
    Sheilas Handy.
    Ich nahm es heraus, klappte es auf und drückte auf die Einschalttaste. Nichts tat sich. Das Handy war tot.
    Ich öffnete die oberste Schreibtischschublade, wo ich das Ladekabel für mein eigenes Handy – das gleiche wie Sheilas – aufbewahrte. Ein Ende steckte ich ins Telefon, das andere in die Wandsteckdose. Klimpernd erwachte das Handy zum Leben.
    Ich war noch nicht dazugekommen, es abzumelden. Es war Teil eines Pakets, zu dem auch meines, und jetzt auch das von Kelly, gehörte. Als ich Kellys Handy besorgt hatte, hätte ich Sheilas abmelden können, aber ich hatte es nicht über mich gebracht.
    Als das Handy wieder betriebsbereit war, rief ich es von meinem Schreibtischtelefon aus an. Das war Erste, was mir in den Sinn kam.
    Ich wählte die Nummer, die ich noch immer auswendig wusste, hörte den Freiton und sah, wie das Handy vor mir klingelte und vibrierte. Ich wartete das siebte Klingelzeichen ab. Danach würde die Mailbox anspringen, das wusste ich, und ich würde die Stimme meiner toten Frau hören.
    »Hallo, hier ist Sheila. Ich bin entweder gerade am Telefon, habe es nicht bei mir oder Angst ranzugehen, weil ich gerade mit dem Auto unterwegs bin. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
    Und dann der Piepton.
    Ich begann zu sprechen. »Ich … ich wollte nur …«
    Ich legte auf, meine Hand zitterte.
    Ich brauchte eine Minute, um mich wieder zu fangen.
    »Ich wollte dir nur sagen«, sagte ich, obwohl außer mir niemand da war, »dass ich manches, was ich gesagt habe, seit du nicht mehr da bist, dass ich jetzt … Ich war so wütend auf dich. So verdammt wütend. Dass du das getan hast, dass du … so was Idiotisches tun konntest. Aber seit gestern oder so, ich weiß auch nicht … Das Ganze hat schon vorher keinen Sinn ergeben und jetzt noch weniger, aber je unsinniger es wird, desto mehr frage ich mich … frage ich mich, ob da vielleicht mehr dahintersteckt, ob vielleicht … ob ich dir vielleicht Unrecht getan habe, ob es vielleicht andere …«
    Ich setzte mich hin und ließ meinen Gefühlen freien Lauf, versuchte nicht, sie zu unterdrücken. Nahm mir die Freiheit, alles rauszulassen. Wie Druck durch ein Ventil. Manchmal muss man ihn ablassen, sonst gibt es eine Explosion.
    Nach zwei Minuten schnappte ich mir ein paar Taschentücher, wischte mir die Augen ab, putzte mir die Nase, holte ein paarmal tief Luft.
    Und machte weiter.
    Ich ging Sheilas Anrufliste durch. Meinen eigenen, der gerade erst eingegangen war, ignorierte ich. Arthur Twain hatte gesagt, Sheila hätte diesen Sommer am Tag ihres Unfalls angerufen, kurz nach eins.
    Ich entdeckte eine Nummer in der Liste der abgegangenen Anrufe. Da stand es: 13:02. Eine Vorwahl in New York.
    Ich schnappte mir den Hörer meines Schreibtischtelefons und wählte die Nummer. Es klingelte einmal ganz kurz, dann kam eine Ansage, die Nummer sei nicht mehr in Betrieb. Ich legte auf. Arthur Twain hatte auch

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