Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weil Ich Euch Liebte

Weil Ich Euch Liebte

Titel: Weil Ich Euch Liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
Vom Netzwerk:
meiner Lage, immerhin konnte ein schwebendes Gerichtsverfahren mich finanziell völlig ruinieren, hätte ich das Geld vielleicht behalten und kein Wort darüber verlieren sollen. Kleinvieh macht auch Mist. Doch es gehörte mir nicht, und ich glaubte Belinda, wenn sie sagte, dass Sheila es für sie hätte abliefern sollen. Ein Fluch lag auf diesem Geld. Ich wollte es nicht, und ich wollte keine Besuche mehr von Sommer.
    Und irgendwie hatte es für mich ja auch seinen Zweck erfüllt. Es hatte Belinda gesprächig gemacht.
    Jetzt wusste ich, was Sheila vorgehabt hatte, wie sie zusätzliches Geld hatte heranschaffen wollen. In meinen Augen hatte sie jedoch völlig falsch eingeschätzt, worauf sie sich da eingelassen hatte. Wissentlich hätte sie sich nie von einem Typen wie Sommer abhängig gemacht. Wahrscheinlich hatte sie ihn nie gesehen. Sheila hatte ein gutes Gespür für Menschen gehabt, und hätte sie Sommer je zu Gesicht bekommen, hätte sie schleunigst das Weite gesucht.
    Daran glaubte ich aus tiefstem Herzen.
    Je mehr ich über Sheilas letzten Tag erfuhr, desto überzeugter war ich, dass sie nicht irgendwo hingegangen war, um ihre Sorgen zu ertränken, und wenn es tausend Mal danach aussah. Sie hatte sich auch nicht ins Auto gesetzt und sich selbst und zwei andere Menschen umgebracht.
    Da musste mehr dahinterstecken. Und ich fragte mich, wer wissen konnte, was das war? Sommer? Slocum?
    Es gab jede Menge Gesprächsstoff für mich und Detective Wedmore, wenn wir uns das nächste Mal sahen.

    Auf der Fahrt nach Darien fragte Kelly: »Wie lang muss ich denn weg?«
    »Nicht lang, hoffe ich.«
    »Was ist mit der Schule? Ist es schlimm, wenn ich die Schule so lang versäume?«
    »Wenn es mehr als ein paar Tage werden sollten, hole ich von deiner Lehrerin Aufgaben für dich.«
    Sie machte ein mürrisches Gesicht. »Was bringt es, nicht in die Schule zu gehen, wenn man trotzdem Aufgaben machen muss?«
    Ich überhörte das. »Hör mal, es gibt da etwas sehr Ernstes, das ich mit dir besprechen muss.« Sie sah mich an. In den vergangenen Wochen hatte es so viele ernste Dinge zu besprechen gegeben. Wahrscheinlich hatte sie sich schon gefragt, ob das irgendwann auch ein Ende haben würde. »Du musst ganz, ganz doll aufpassen.«
    »Ich pass doch immer auf. Meinst du, wenn ich über die Straße geh und so?«
    »Ja, das auch. Aber du darfst nicht allein irgendwo hingehen. Du bleibst immer bei Grandma oder Marcus. Keine Alleingänge. Kein Radfahren oder –«
    »Mein Rad ist zu Hause.«
    »Das soll nur heißen, dass du bei ihnen bleibst. Die ganze Zeit.«
    »Toll. Klingt nicht nach viel Spaß.«
    Als wir in Darien von der Autobahn abfuhren, stand eine Frau am unteren Ende der Ausfahrt. Sie war bestimmt noch keine vierzig, sah aber doppelt so alt aus. Zu ihren Füßen standen ein vergammelt aussehender Rucksack und ein roter Plastikkorb, wie es sie für den kleinen Einkauf in Supermärkten gibt. In dem Korb waren ein paar Wasserflaschen und etwas, das aussah wie eine halbe Packung geschnittenes Weißbrot und ein Glas Erdnussbutter.
    Sie hielt ein Schild hoch, auf das sie geschrieben hatte: »BRAUCH KLAMOTN & ARBEIT«.
    »Menschenskind«, sagte ich.
    »Sie war letztes Mal auch schon da«, sagte Kelly. »Ich hab Grandma gefragt, ob wir ihr Kleider geben könnten, aber sie hat gesagt, wir sind nicht für die Lösung der Probleme aller anderen zuständig.«
    Typisch Fiona. Aber ein Körnchen Wahrheit steckte auch drin. »Man kann sich leider nicht um alle kümmern.«
    »Aber wenn jeder Mensch nur einem einzigen anderen Menschen helfen würde, wäre vielen Menschen geholfen. Das hat Mom immer gesagt. Grandma hat jede Menge Kleider, die sie gar nicht mehr anzieht.«
    »Ein paar begehbare Wandschränke voll«, präzisierte ich.
    An der Ampel mussten wir stehenbleiben. Die Frau sah mich durch die Windschutzscheibe hindurch an.
    »Darf ich ihr was geben?«, fragte Kelly.
    »Lass ja dein Fenster oben.« Die Augen der Frau waren wie tot. Sie erwartete gar nicht, dass ich ihr was gab. Von wie viel Prozent der Fahrer, die an dieser Ampel anhalten mussten, bekam sie wohl etwas? Von zwei? Einem? Keinem? Wie war es so weit mit ihr gekommen? Hatte sie immer schon so ein Leben geführt, oder hatte sie irgendwann gelebt wie wir? Hatte sie einmal ein Haus, eine Familie, eine geregelte Arbeit gehabt? Vielleicht einen Ehemann? Angenommen, sie hatte das alles einmal besessen, hatte es ein Ereignis gegeben, ab dem es nur mehr bergab gegangen war? Hatte

Weitere Kostenlose Bücher