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Weil sie sich liebten (German Edition)

Weil sie sich liebten (German Edition)

Titel: Weil sie sich liebten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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deine Stärke schwindet.
    Du hörst den Schulleiter aufstehen und aus dem Zimmer gehen. Er
kommt mit einem Karton Kleenex zurück.
    Du schniefst, und dann fröstelst du. »Hat man auf dem Band den
Eindruck, dass das Mädchen freiwillig mitgemacht hat?«, fragst du und schnäuzt
dich.
    »Ja«, antwortet der Schulleiter. »Absolut.«
    Du atmest erleichtert auf, und der Schulleiter, der es bemerkt, sagt
sofort: »Leider ändert das nichts an der Schwere des Vergehens.«
    Dein Inneres verhärtet, als du erkennst, dass du und dieser Mann
euch vielleicht bald als Feinde gegenüberstehen werdet. »Hat das Mädchen … ich
weiß nicht … hat sie die Jungen verführt?«
    »Ihr Sohn ist achtzehn Jahre alt«, sagt der Schulleiter, und du
glaubst, zum ersten Mal einen Unterton des Ärgers in seiner Stimme zu hören.

Colm
    I ch war länger in der Redaktion
geblieben, wie fast immer. Meine Aufgabe war es damals, die Meldungen in den
Kleinstadtzeitungen von Neuengland zu sichten. Auf diesem Weg holen wir uns
dreißig Prozent unserer Storys. Ich mache das natürlich übers Internet, da bekommt
man die Mitteilungen viel schneller. Ich scrolle also diese unglaublich öden
Meldungen im Rutland Herald durch –
›Paintball-Vandalen verwüsten Friedhof‹; ›Schule nach Brandstiftung
geschlossen‹ – und stoße auf die Polizeiprotokolle von Avery. Die
Polizeiprotokolle werden in jedem Lokalblatt am liebsten gelesen. Lieber noch
als die Todesanzeigen. Und ich entdecke folgende Eintragungen: Achtzehnjähriger Schüler der sexuellen Nötigung beschuldigt.
Neunzehnjähriger Schüler der sexuellen Nötigung beschuldigt. Fahndung
eingeleitet nach achtzehnjährigem Schüler, der in Zusammenhang mit
Beschuldigungen der sexuellen Nötigung gesucht wird.
    Mich interessierte vor allem das Wort ›Schüler‹. Erstens ist es
relativ ungewöhnlich, dass in diesen Protokollen der Beruf einer Person
angegeben wird, und zweitens fällt einem bei der Verbindung des Namens ›Avery‹
mit dem Wort ›Schüler‹ sofort die Avery Academy ein. Ha ,
denke ich mir, wenn das wirklich die Avery Academy ist, und
da ein Fall sexueller Nötigung vorliegt – und ich tippe natürlich sofort
darauf, dass das Opfer eine Schülerin ist –, dann könnte das
eine gute Story werden.
    Den Typen, den ich oben in Rutland kenne, mag ich nicht anrufen; ich
möchte mir auf keinen Fall in die Karten schauen lassen. Ich rufe lieber bei
der Polizeidienststelle in Avery an. Sogar in diesen kleinen Ortschaften hat
immer einer Dienst, auch wenn man ihn oder sie manchmal zu Hause aus dem Bett
holen muss.
    Officer Quinney, immerhin Polizeichef von Avery, meldet sich. Ich
stelle mich vor und frage ihn, ob er zwei der sexuellen Nötigung Verdächtige in
Gewahrsam habe. Er ist sehr zurückhaltend und hört sich erregt an. Ja, aber das
sei früher am Abend gewesen, sagt er, und als ich frage, wer die beiden seien,
sagt er: Kein Kommentar . Ich frage, ob man den
dritten Schüler inzwischen gefunden hat, und er erklärt, dass er mir das nicht
sagen darf, was natürlich reiner Blödsinn ist, denn wenn eine Fahndung
eingeleitet ist, dann ist auch der Name bekannt, aber mich juckt das nicht
weiter, ich kann mir den Namen auch anders beschaffen. Weiter frage ich ihn
nach dem Namen des Opfers, er antwortet wieder: Kein
Kommentar , und sagt, ziemlich sauer jetzt, ich müsse doch wissen, dass
er mir den Namen des Opfers nicht nennen darf, und natürlich weiß ich das auch.
Aber man stellt ja Fragen nicht immer nur, um Antworten zu bekommen. Meistens
geht es einfach darum, die Person am anderen Ende aus der Reserve zu locken,
damit sie vielleicht dies oder jenes verräterische Wort sagt, das einen
weiterbringt.
    Ich frage ihn, ob die Verdächtigen Schüler der Avery Academy sind,
und er bestätigt das, und das ist eine Rieseninfo. Ich bin echt platt, dass er
mir das verraten hat, aber ich mache weiter, als hätte er mir nichts von
Interesse gesagt. Ich frage, wie er von der Sache erfahren hat, und er erzählt,
dass die Eltern des Opfers ihn angerufen haben. Ich frage wieder nach dem
Namen, und natürlich ist er gleich wieder stocksauer. Aber man weiß nie, ob
sich’s nicht doch mal lohnt, es hätte ja sein können, dass er den Namen der
Stadt nennt, aus der die Eltern kommen, oder erwähnt, dass sie aus Avery sind.
Oder sonst was. Aber leider erklärt er jetzt, er habe mir nichts weiter zu
sagen, und legt auf.
    Ich schreibe mir sofort alles auf und google gleich mal los wie ein
Wilder.

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