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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hatte.
    »Medizin. Gut.« Er öffnete den Aschenbecher am Armaturenbrett und fischte die Zettel für die Reinigung heraus. »Manchmal macht es mir Sorgen, Töchter zu haben. Erst unlängst habe ich einen Artikel gelesen. Weißt du, welche Studienfächer am College den höchsten Prozentsatz an Studentinnen haben?«
    Ich schüttelte den Kopf. Er reichte mir die Zettel und hob seine Hand, um an den Fingern abzuzählen.
    »Pädagogik. Sozialarbeit. Englisch. Und dann das Fach, bei dem es um die Betreuung von Kindern geht, ich habe vergessen, wie es heißt. Rate mal, was diese Berufe alle gemeinsam haben?«
    Ich zuckte zusammen, als wir nur einen knappen halben Meter an einem Radfahrer vorbeifuhren. »Man verdient nicht viel damit?«
    »Bingo.« Er deutete mit dem Kopf auf das Handschuhfach. »Darin ist ein Zwanziger. Damit kannst du bezahlen. Lass dir eine Quittung geben.« Er wendete abrupt und stellte sich vor einen Hydranten. »Rate, welches Fach am College den geringsten Prozentsatz an Studentinnen hat?«
    Ich antwortete nicht sofort. Er schnippte mit den Fingern.
    »Pre Med?«
    »Technik. Aber du siehst, worauf es hinausläuft. Und dann wundern sich die Leute, warum Frauen weniger verdienen als Männer. Bitte, da hast du es! Diese Mädchen sind selbst schuld. Warum? Warum beschließen sie, arm zu sein? Du und Elise, ihr seid klug. Ihr sorgt für euch selbst.«
    Er stellte den Motor ab und lächelte mich voller Wärme und Stolz an. Ich lächelte zurück. Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, dass er wartete.
    »Liebes«, sagte er freundlich. »Die Anzüge.«
    Im Herbstsemester meines zweiten Collegejahres ging ich zu meinem ersten Beratungsseminar für Pre Med. Es fand in einem Hörsaal statt - anscheinend wusste man, dass zweitausend von uns kommen würden. Gretchen und ich waren zehn Minuten vor Beginn da, aber die einzigen freien Plätze waren oben auf der Galerie. Ich machte mir Sorgen, dass wir nichts verstehen würden, aber als der Studienberater auf das Podium trat, erschien sein Gesicht gleichzeitig - wie der Zauberer von Oz - auf einem riesigen Bildschirm, der von der Decke hing. Auf einem anderen Monitor waren die nötigen Kurse, Noten und Testergebnisse zu sehen, die für die Zulassung zum Medizinstudium erforderlich waren. »Sehen Sie nach links«, sagte der Berater zu uns, und circa zweitausend Leute drehten ihre Köpfe nach links. »Sehen Sie nach rechts«, forderte er uns auf, und wir, brave Studenten, die wir waren, befolgten auch diese Anweisung. »Freunden Sie sich mit keinem Ihrer Nachbarn zu gut an«, sagte er. »Denn nur einer von Ihnen wird es schaffen.«
    Selbst damals, als ich noch keine Ahnung von Organischer Chemie hatte oder davon, wie viel Kummer sie mir bereiten würde, schien es ein ausgesprochen schlechtes Omen zu sein, dass bei dieser Veranstaltung meine Freundin Gretchen rechts von mir saß.
    »Es kommt nicht darauf an, neben wem du sitzt«, versicherte sie mir. »Er hat es rein statistisch gemeint.«
    Gretchen bekam es manchmal nicht mit, wenn ich Spaß machte. Aber davon abgesehen war sie beängstigend intelligent. Wenn das Leben fair wäre, wenn harte Arbeit und Disziplin tatsächlich über reine Begabung siegen könnten, dann hätte ich spielend diejenige sein können, die in beinahe jeder Dreiergruppe in diesem Hörsaal das Rennen machte. Gretchen hingegen ging viel aus. Sie hatte drei verschiedene gefälschte Ausweise. Im zweiten Jahr hatten wir zusammen um sieben Uhr morgens Labor, Anorganische Chemie, und Gretchen tauchte regelmäßig mit Mascaraspuren auf ihren Wangen und wirrem, nach Zigarettenqualm riechendem Haar auf. Aber sie wirkte nie besonders erledigt, wenn sie ihren Kittel anzog und ihre Schutzbrille aufsetzte. Sie arbeitete sich durch komplizierte Titrationen und Gleichungen, als schlendere sie bloß durch den Speisesaal, um sich Kaffee und Cornflakes zu holen - als sei es nichts, was ein Mädchen mit einem leichten Kater nicht bewältigen könnte. Sie war meistens schnell fertig.
    In dem Jahr war ich noch halbwegs gut zurechtgekommen. Ich investierte viel Zeit in meine Arbeit, lernte die Formeln, das Periodensystem und die Gesetze der Thermodynamik auswendig. Wenn Gretchen ausging, blieb ich zu Hause und lernte. Und obwohl es mir ein bisschen unfair zu sein schien, dass ich so viel mehr arbeiten musste als sie, war ich froh, überhaupt mithalten zu können. Die Zukunft strahlte und schien sicher zu sein. Mein Vater fing an »Is' was, Doc?« zu sagen, wenn er

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