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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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unglaublich es mir schien: Der Lastwagen wurde tatsächlich langsamer! Es war fast schon ein Wunder. Ich langte nach meiner Büchertasche, ohne dabei den Kopf zu senken, die Augen auf das Ausfahrtsschild gerichtet, den Fahrer immer noch im Blickfeld. Auf dem Parkplatz konnte ich Autos einer Hardee's-Filiale sehen und ein Paar in NASCAR-Jacken, das vorsichtig über das Eis zu seinem Wagen zurückging.
    »Hey, hör mal ...« Er drehte sich zu mir um, eine Hand auf dem Lenkrad, die andere in meine Richtung ausgestreckt.
    Doch ich hörte nicht. Wir waren immer noch weit von dem Restaurant entfernt. Zwar fuhren wir nicht mehr, aber der Motor lief noch. Ich machte die Tür auf und sprang. Meine Füße rutschten auf dem Eis weg, ich schlitterte nach vorne und schlug mit dem Gesicht gegen die offene Beifahrertür. Sofort stand ich auf und fiel wieder hin. Ich hörte die Tür zuschlagen und die Gangschaltung knacken. Schwer atmend blickte ich auf. Bis ich wieder auf den Beinen war, rollte der LKW bereits davon.
    Bei Hardee's war kaum jemand. Ein Mann saß in einer der Fensternischen, spielte Solitär und trank eine Tasse Kaffee. Ein Mädchen meines Alters mit brauner Uniform fegte hinter der Theke den Boden. Als sie zu mir aufblickte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck.
    »Sie bluten«, stellte sie missbilligend fest.
    Ich zog meinen Handschuh aus und tastete über mein Gesicht. An meinen Fingern klebte Blut.
    »Ich bin hingefallen«, erklärte ich. »Ich bin draußen auf dem Eis hingefallen.«
    »So eine Scheiße.« Sie griff nach dem Besen und fegte weiter. »Also, ich bin seit Mitternacht hier, aber ich weiß, dass das Eis draußen der Horror ist. Von der Vormittagsschicht ist noch niemand hier aufgetaucht. Ich hätte schon vor einer halben Stunde Feierabend haben sollen.«
    Links und rechts der Theke hingen Lautsprecher, aus denen eine Instrumentalversion von I Can See Clearly Now schepperte. Das Mädchen mit dem Besen schaute mich an. Ich schaute zurück. Später, als mir wieder warm war und ich mich etwas ruhiger und nicht mehr so erledigt fühlte, fragte ich mich, warum ich dem Mädchen nicht von dem Fernfahrer erzählt hatte - und sei es auch nur, um zu erklären, warum ich so durcheinander war.
    »Möchten Sie etwas bestellen?« Sie fragte das, als wäre die Idee lächerlich. »Oder wollen Sie sich lieber zuerst frischmachen?« Sie hob eine Hand, die in einem Plastikhandschuh steckte, und zeigte nach links. »Um die Ecke ist ein Waschraum.«
    Dort angekommen drückte ich eine Papierserviette auf den Schnitt an meiner Unterlippe. Ich starrte mein Bild im Spiegel an und fragte mich, ob ich mir vielleicht wirklich den Kopf verletzt hatte. Meine Pupillen sahen leicht erweitert aus, meine Wangen waren voller roter Flecke - vielleicht von der Kälte -, und meine Hände zitterten immer noch. Ich beschloss, meine Mutter anzurufen. Sie würde ruhiger reagieren als mein Vater. Sie war immer der weichere Elternteil gewesen, tröstender und verständnisvoller, wenn man Fehler machte.
    Ein frisches Papiertuch an meine Lippe gepresst verließ ich den Waschraum. Ich konnte warme Backwaren riechen, irgendetwas mit Zimt. Aus der Stereoanlage kam jetzt Hang On Sloopy, aber es war kaum noch zu hören, nachdem ich durch die Doppeltür in den Vorraum getreten war, in dem sich die Telefonzellen befanden. Ich nahm einen Hörer von der Gabel und stöberte in meiner Tasche. Meine Finger schoben sich unter mein Physiologiebuch in die Reißverschlusstaschen. Ich stach mich an einer Sicherheitsnadel, aber irgendwann hatte ich fast eine Hand voll Kleingeld beisammen.
    Natürlich hätte ich versuchen können, Gretchen anzurufen oder auch Tims Mitbewohner. Beide hatten ein Auto. Jetzt am Vormittag hatten beide höchstwahrscheinlich Unterricht, trotzdem hätte ich eine Nachricht hinterlassen können, und irgendwann hätte mich sicher einer von ihnen abgeholt. Aber das hätte Stunden dauern können. Nur meine Mutter oder mein Vater würden sofort kommen, sofort alles andere stehen und liegen lassen.
    Ich musste fast all meine Münzen in den Apparat stecken, um ein Ferngespräch führen zu können. Ich sah, wie sich meine blutende Lippe im blanken Metall des Apparats spiegelte, lehnte mich dagegen und schloss die Augen.
    »Ja?«
    Ich machte die Augen auf. Ich hatte gut aufgepasst, damit ich auch ja die richtige Nummer und die Vorwahl für Overland Park wählte. Aber so meldete sich meine Mutter normalerweise nicht am Telefon.
    »Wer ist da?« Ihre

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