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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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vermutlich weniger Keime ausbreiten würden; doch meine Mutter hatte erwidert, das sei ihr egal, unsere Keime seien auch ihre Keime. Wenn Elise und ich einen Keim hätten, würde sie ihn auch haben wollen. »Nein«, widersprach er ihr irgendwann. »Ich meine nicht ihre Keime, Natalie. Du gibst die Keime aus deinem Mund an sie weiter.« Erst danach hörte sie damit auf.
    Um Viertel vor elf kam eine ältere Frau, deren gebleichtes Haar unter eine Schirmmütze geschoben war, um den Boden rund um die Tische zu kehren. Ich konnte sie pfeifen hören, als sie mit ihrem Besen dicht an meinen Tisch herankam. Als ich aufblickte, ertappte ich sie zweimal dabei, dass sie mich beobachtete. Ein Greyhound Bus rollte auf den Parkplatz, und jemand hinter der Theke rief der Frau zu, sie solle sich beeilen und sich an den Grill stellen. Aber sie trödelte noch einen Moment herum und kehrte einfach weiter.
    »Alles in Ordnung?« Sie zuckte zusammen, als wüsste sie die Antwort bereits. Die Frau trug silberne Ohrringe in Form von Libellen und sah aus, als wäre sie in den Sechzigern. Auf ihren Unterarm war eine Rose tätowiert.
    »Du blutest«, stellte sie fest und schnalzte mit der Zunge.
    »Ich hatte einen Autounfall.« Ich drückte die Serviette fester gegen meine Lippe. »Jemand hat mich hier abgesetzt. Ich habe kein Geld zum Telefonieren.«
    »Donna!«, blaffte die Frau hinter der Theke sie an. »Wir haben eine Busladung! Los!«
    Sie schaute zur Theke und dann wieder zu mir. Einer der Seitenausgänge zum Parkplatz öffnete sich, und eine lange Reihe gähnender und sich streckender Fahrgäste mit verschmutzten Schuhen schob sich zur Theke vor.
    »DONNA!«
    Die Frau, die mich immer noch ansah, hob einen Finger. »Wenn der Ansturm vorbei ist, rufe ich die Autobahnpolizei«, versprach sie. Dann beugte sie sich vor, tätschelte meinen Arm und lächelte mich bedauernd an, um zu zeigen, dass sie wünschte, sie könnte mehr für mich tun.
    Zwei Stunden später kam ein Officer. Er sprach mit näselndem South-Kansas-Akzent und hatte einen grauen Schnauzbart, der gekämmt aussah. Wir saßen vorne in seinem Wagen, wo er seinen Bericht ausfüllte. Er war überraschend mitfühlend - sogar noch, als er erfuhr, dass ich weder einen Nachweis für eine Haftpflichtversicherung noch die geringste Ahnung hatte, ob das Auto, das ich am Straßenrand stehen gelassen hatte, überhaupt versichert war. Doch er tadelte mich, weil ich den Fernfahrer nicht sofort gemeldet hatte, obwohl er mir zustimmte, dass gar nicht ganz klar war, ob irgendein Gesetzesverstoß vorlag. Er hätte gern ein Wörtchen mit dem Burschen gesprochen, sagte er, und ihn überprüfen lassen. Aber der Officer hielt sich nicht lange damit auf, mir deswegen Vorhaltungen zu machen. Stattdessen stellte er seine Heizung hoch und bot mir an, sie wieder runterzudrehen, wenn mir zu warm würde.
    »Man kann wohl mit Fug und Recht sagen, dass Sie einen miserablen Vormittag hinter sich haben«, stellte er abschließend fest, als er die Kappe auf seinen Füller schraubte. »Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten. Der Schneesturm hat uns ganz schön zu schaffen gemacht. Dreiundzwanzig Unfälle allein heute Morgen, und das nur auf der Strecke zwischen Lawrence und Topeka.«
    Ich nickte nur, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Ich hatte Hunger. Meine Lippe tat weh. »Furchtbar«, brachte ich schließlich hervor und hielt meine Hände an die Heizung. »Sie müssen erledigt sein.« Ich wollte sein gutes Bild von mir nicht zerstören.
    »Eigentlich geht's mir gut.« Er schob den Bericht in einen Ordner. »Ein Unwetter wie das hier hebt meinen Adrenalinspiegel. Ich sage es ja nicht gern, aber irgendwie mag ich das.«
    Er wirkte tatsächlich energiegeladen, als er mich nach Lawrence fuhr. Seine Haltung war aufrecht, und seine Hände auf dem Lenkrad lagen genau auf zehn und zwei Uhr - außer wenn er über Funk sprach. Nach dem dritten Anruf entschuldigte er sich bei mir und erklärte dann, dass er keine Zeit habe, mich bis in mein Wohnheim zu fahren. Er informierte mich, dass ein Abschleppwagen unterwegs sei, der mich zu meinem Auto bringen könne. Der Fahrer würde mich mitnehmen.
    Das klang vernünftig. Aber dann stellte sich heraus, dass der Fahrer des Abschleppwagens - der anscheinend keine frischen Energien aus seinem langen und arbeitsreichen Vormittag gezogen hatte - darauf bestand, mich zu meinem Wohnheim zu fahren, ehe er den Wagen bei einer Werkstatt ablud. Er wollte mein

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