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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Wenn er mich nach Lawrence führe, könnte ich den Bus zum Campus nehmen und es wahrscheinlich noch rechtzeitig zu meiner Laborstunde schaffen. Ich könnte vorher sogar noch ins Wohnheim gehen, Kaffee trinken und mir die Zähne putzen. Wir näherten uns der Tankstelle. Er spähte zu mir herüber und ging vom Gas.
    »Ja. Danke. Es wäre ganz toll, wenn Sie mich nach Lawrence bringen könnten«, sagte ich. »Danke.« Ich hielt mir meine zusammengeknautschte Mütze vor den Mund, um zu verhindern, dass ich mich noch einmal bei ihm bedankte. Im Fahrerhaus war es jetzt fast schon heiß, aber meine Zähne klapperten immer noch. Ich fühlte mich komisch, auf seltsame Weise aufgekratzt. Vielleicht war ich unterkühlt. Oder vielleicht hatte ich mir bei dem Unfall den Kopf angeschlagen und konnte mich nur nicht mehr daran erinnern. Oder ich machte mir einfach Sorgen wegen Jimmy.
    Ich schaute den Fahrer an. Sein Gesicht war ausdruckslos, sein Blick auf die Straße gerichtet.
    »Ich habe das Auto von jemand anderem zu Schrott gefahren«, fing ich an.
    Er warf mir einen kurzen, neugierigen Blick zu. Mehr brauchte ich nicht. Ich erzählte ihm alles, sprach zu schnell und atmete die trockene Wärme ein. Ich musste einfach irgendjemandem erzählen, was passiert war. Er war ein unbeteiligter Fremder, und ich wollte seine Meinung hören.
    Er zuckte die Achseln. »Das war das Glatteis. Nicht deine Schuld.«
    »Aber Sie kennen diese Leute nicht.« Und dann erzählte ich ihm von Jimmy und Haylie. Ich lieferte eine gute Beschreibung von Jimmy und erwähnte Haylies Warnung, ihn bloß nicht zu verärgern. Der Fahrer lächelte, sodass ich mich ein bisschen besser fühlte. Ich konnte das Ganze leichter nehmen, eine komische Geschichte daraus machen, etwas, das ich im Griff hatte.
    »Hey«, sagte er. »Sprich weiter. Ich bin seit sechs Tagen unterwegs. Es ist schön, mal eine andere Stimme zu hören.«
    Also redete ich weiter. Ich verriet ihm, dass ich mein Handy vergessen hatte und dass mein Vater mich umbringen würde. Außerdem erzählte ich ihm auch, dass ich wahrscheinlich zu spät zu meinem Physiologiekurs kommen würde und wie sehr ich mir wünschte, an diesem Morgen keinen Hundshai sezieren zu müssen. Er könne sich erinnern, auf der Junior High einen Frosch seziert zu haben, erwiderte er. Der Frosch habe ihm zwar ein bisschen leidgetan, aber er habe es toll gefunden, zu sehen, wie sein Inneres funktionierte.
    Wir waren nicht mehr weit von Lawrence entfernt. Ich konnte in der Ferne den Campus auf dem Hügel sehen und die Zwillingsflaggen von Fraser Hall, die in der grauen Luft nur schwach zu erkennen waren. Vielleicht schaffte ich es ja doch noch ins Labor. Immerhin fuhren wir schnell und kamen gut voran. Ich betrachtete die Felder längs des Highways, auf denen tote Weizenstängel von all dem Wind und Eis auf den Boden gedrückt wurden.
    »Bei der nächsten Ausfahrt kann ich aussteigen«, sagte ich.
    »Erzähl mir noch was«, forderte er mich auf. »Du bist besser als das Radio.«
    Aber mir fiel nichts mehr ein. Die Müdigkeit machte sich wieder bemerkbar. Meine Schulter tat weh, und ich war mir sicher, dass der Sicherheitsgurt eine Quetschung verursacht hatte.
    »Entschuldigung. Ich bin müde.« Ich rieb mir die Schulter.
    Er warf mir einen Blick zu. »Hast du dich verletzt oder so?«
    »Ach, ich glaube, der Sicherheitsgurt hat meine Schulter gequetscht.« Ich zog Schal, Jacke und Pulli zur Seite und spähte nach unten. Als ich wieder aufblickte, sah er mich an.
    »Da ist meine Ausfahrt.« Ich zeigte auf das Schild.
    Doch er ging nicht vom Gas, und ich schaute ihn an, um zu sehen, ob er mich gehört hatte. Seine blauen Augen waren trübe, sein Kiefer schlaff.
    »Da ist meine Ausfahrt«, wiederholte ich. Das Schild schien sehr schnell näher zu kommen. Ich zeigte immer noch mit ausgestrecktem Arm darauf. Wir fuhren daran vorbei, und ich zog meinen Arm zurück. Schweißflecken bildeten sich unter meinen Achseln. Mein Mund fühlte sich heiß und trocken an.
    »Das war meine Ausfahrt«, sagte ich.
    »Oh«, sagte er. »Das war deine Ausfahrt. Entschuldigung. Ich dachte, sie kommt erst später.«
    Ich spürte ein Kribbeln unter der Haut, Blut, das meine Hände und meine Kehle erwärmte. »Schon gut«, erwiderte ich vorsichtig. Ich schaute auf die Straße, nicht zu ihm. »Weiter vorne kommt noch eine Ausfahrt Richtung Lawrence. Da können Sie mich rauslassen.«
    »Klar«, versprach er. »Kein Problem.«
    Ich starrte aus dem Fenster,

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