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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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mich einfach in Luft auf. Sie saß nun auf dem Beifahrersitz eines Sattelschleppers, und es gab keinen Rücksitz, keinen Platz, auf dem ich hätte sitzen können.
    Jimmy Liff blieb überraschend gelassen, als ich ihm von dem Unfall berichtete. »Tja, so was kommt vor«, sagte er nur. »Das Glatteis, hm? Unser Flug hatte eine Scheißverspätung.«
    Ich wechselte den Hörer an das andere Ohr. Er konnte mich unmöglich richtig verstanden haben. Ich hatte mich vor diesem Anruf gefürchtet.
    »Ich musste den Wagen abschleppen lassen«, sagte ich mit Nachdruck, obwohl ich ihm das schon erzählt hatte. Ich wollte ihm begreiflich machen, dass mehr als nur der Kotflügel beschädigt worden war. »Aber die Versicherung meines Vaters übernimmt die Kosten. Da ist er sich ganz sicher.«
    Schweigen. Ich wartete. In meinem Zimmer war es schon ziemlich dunkel, fast ganz, aber draußen erstrahlte im Schein der untergehenden Sonne ein Stück Himmel in Rosa und Orange. Ich hatte Mittag- und Abendessen verschlafen.
    »Willst du die Nummer der Werkstatt haben?«, fragte ich. »Sie haben gesagt, dass sie dein Auto irgendwann nächste Woche reparieren, aber ...«
    »Ach, darum können wir uns später kümmern.« Er klang gelangweilt oder zumindest geistesabwesend. »Wir nehmen am Sonntag ein Taxi vom Flughafen. Mach dir deshalb keine Sorgen. Wir sind froh, dass dir nichts passiert ist.«
    Ich war zu erstaunt, um auch nur einen Ton von mir zu geben. Jimmy Liff hätte meiner Mutter einmal zeigen können, wie man mit Unfallopfern umging. Damit hätte ich nie gerechnet.
    »Aber du musst ins Haus und die Pflanzen befeuchten.« Jetzt klang er beunruhigt. »Okay? Ich möchte wirklich nicht, dass sie eingehen.«
    Gretchen bot mir an, mich hinzufahren, und sie machte von Anfang an keinen Hehl daraus, dass sie keineswegs vorhatte, mich dort bloß abzusetzen. Sie fand, ich sollte nicht allein sein; die Sache mit dem Lastwagenfahrer hatte sie erschüttert. »Ist mir egal, was du sagst. Heute Abend lernst du nicht mehr«, bestimmte sie. Gretchen trug ein T-Shirt, auf dem ein Kätzchen mit riesigen, blauen Augen abgebildet war, das ihr seltsam ähnlich sah. »In meinem Zimmer habe ich eine Packung Makkaroni mit Käse. Ich bringe sie mit. Ich mache dir etwas zu essen.« Sie schürzte die Lippen. »Du siehst echt kaputt aus, Veronica. Sogar für deine Verhältnisse, meine ich.«
    Ich erhob keine Einwände. Ich brauchte jemanden, der mich zu Jimmys Haus fuhr. Und sie hatte recht: Ich war total überdreht. Ständig musste ich an den Augenblick denken, in dem ich die Kontrolle über den Wagen verloren hatte, als ich über das Glatteis schlitterte und rutschte und das Lenkrad völlig nutzlos geworden war. Dieselbe Hilflosigkeit hatte ich in dem LKW empfunden, als wir an der ersten Ausfahrt nach Lawrence vorbeigefahren waren, aber es war schlimmer, viel schlimmer, weil die Angst viel länger anhielt. Noch jetzt hatte ich das Gefühl, dass meine Hände zitterten, obwohl sie ruhig waren, als ich sie anschaute.
    Auf dem Weg zu Jimmys Haus blieb Gretchen bei einem Spirituosengeschäft stehen. Ich protestierte nicht. Im Gegenteil, ich gab ihr zehn Dollar. Als wir bei Jimmy waren, machte sie Margaritas, während ich die Pflanzen befeuchtete. Sie fand schicke Gläser und sogar kleine Papierschirmchen und befahl mir, mich hinzusetzen und meinen Drink zu genießen, während sie sich um die Käsemakkaroni kümmerte. Wieder erhob ich keine Einwände. Der Drink war lecker.
    »Meinst du, wir können ein bisschen von ihrer Milch nehmen?«, fragte sie. »Oder ist die auch sehr teuer?«
    Sie spielte auf den Zettel an, den Jimmy an das Weinregal neben der Küche geklebt hatte: »ALLES SEHR TEUER« , stand darauf. »NICHT TRINKEN ODER AUCH NUR ANFASSEN!«
    »Wir können welche nachkaufen«, schlug ich vor. Die Arbeitsfläche war aus rostfreiem Edelstahl, und ich konnte darin mein verzerrtes, verschwommenes Spiegelbild erkennen. Der Alkohol brannte in der Schnittwunde an meiner Lippe, aber im Inneren spürte ich eine angenehm betäubende Wirkung, die sich von meinem Mund aus verbreitete. Mir war klar, dass ich lieber warten sollte, bis ich etwas im Magen hatte. Ich war Alkohol nicht besonders gewohnt.
    »Bitte.« Gretchen nahm eine Packung Milch aus dem Kühlschrank. »Ich denke, er kann eine Flasche Wein entbehren. Schau dir das hier an! Er muss über ein ganz nettes Einkommen verfügen.« Ihr Blick wanderte von den glänzenden Küchengeräten auf der Arbeitsfläche zum

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