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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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später zu mir. »Du hast nicht gelallt oder so. Du hattest bloß ...« Sie lehnte sich zur Seite und flatterte so mit den Lidern, dass sie ziemlich albern aussah. »Du hattest bloß ein bisschen Schlagseite.«
    Trotzdem kann ich nicht gut behaupten, Clyde-vom-dritten-Stock hätte die Situation ausgenutzt. Eigentlich glaube ich nicht, dass er dazu überhaupt Gelegenheit hatte. Vielmehr erinnere ich mich deutlich an seinen bestürzten Gesichtsausdruck, als ich die Boa abnahm und sie ihm um den Hals schlang. Ich weiß noch, wie ich daran dachte, wie recht Becky Shoemaker hatte: Ich konnte tatsächlich Dinge geschehen lassen, indem ich sie mir einfach vorstellte. Ich hatte gewusst, dass Clyde auftauchen würde, als ich beschloss, eine Party zu schmeißen, und jetzt war er da. Es war Vorsehung - oder auch das Gegenteil. Wir waren hier oben in Jimmys und Haylies Schlafzimmer, ganz allein, und standen neben dem Bett, auf dem sich mittlerweile ein Berg von Mänteln und Jacken türmte. Das heißt, Clyde stand, sollte ich wohl sagen. Ich hingegen tanzte. Gewissermaßen. Jedenfalls dachte ich das - dass ich mich anmutig und schwerelos bewegte. Im Nachhinein glaube ich, dass ich nach wie vor einfach Schlagseite hatte und vielleicht das vage Gefühl, auf die Toilette zu müssen.
    Seine Augen wanderten hin und her, als sich die Boa auf seine Schultern senkte. Er sagte etwas, aber ich konnte ihn nicht verstehen. Die Musik unten war sehr laut geworden. Er war bei Weitem nicht so groß wie Tim, und ich erinnere mich, dass genau dieser Unterschied anziehend wirkte, wie ein greifbarer Beweis dafür, dass in meinem Bewusstsein eine kleine, aber dauerhafte Verschiebung der Perspektive stattfand. Wir schauten einander unverwandt an, die Augen auf einer Höhe und leuchtend vor Spannung. Er legte einen Finger auf den Schnitt in meiner Lippe und zog ihn sanft nach.
    Und mehr war nicht erforderlich. Ich presste meinen verletzten Mund auf seinen. Geistreiche Dialoge führten wir nicht. Vielleicht kann ich mich auch bloß nicht daran erinnern, aber das halte ich für eher unwahrscheinlich. Ehrlich gesagt, so betrunken war ich nun auch wieder nicht. Meine Jacke lag unter allen anderen, und ich erinnere mich noch genau an das gedämpfte Piepsen meines Handys aus der Jackentasche. Es hätte vermutlich auch das Handy von jemand anderem sein können, aber ich hielt es für meins, und ich weiß noch, was für ein gutes Gefühl es war, es zu ignorieren.

Kapitel 7
    »Guten Morgen.« Die Worte klangen freundlich - und sehr leise. Gretchen, immer noch in dem T-Shirt mit dem Kätzchen auf der Brust, stand über mir. Sonnenlicht brach sich in dem riesigen Spiegel neben Jimmys und Haylies Bett. Ich lag oben drauf, zugedeckt mit meiner Jacke.
    »Wie geht's dir?« Sie hob eine Hand, um sich ihr Haar aus dem Gesicht zu streichen. Um einen ihrer Finger war ein blutiges Papiertaschentuch gewickelt, das von einem Haargummi gehalten wurde. »Ich habe in meiner Handtasche ein paar Kopfschmerztabletten.«
    »Was ist mit deiner Hand passiert?« Meine Stimme war heiser und kaum zu hören. Meine Zunge fühlte sich trocken und geschwollen an.
    »Ach das.« Sie schaute auf ihre Hand. »Irgend so ein Idiot hat eine Flasche kaputt geschlagen. Ich weiß nicht mal, wer er war. Ich habe die Scherben aufgesammelt.«
    Ich blinzelte sie an, sagte aber nichts. Ich verarbeitete die Informationen: Im Haus waren Leute gewesen, die nicht einmal Gretchen kannte, und es war mit Flaschen geworfen worden. Ich setzte mich abrupt auf. »Das Weinregal«, stieß ich hervor. Etwas, was Jimmy als sehr teuer ansah, würde für mich sicher unerschwinglich sein.
    Sie schwenkte ihre verbundene Hand. »Reg dich ab. Ich habe es in die Speisekammer gerollt, bevor die Lage außer Kontrolle geriet. Keiner hat den Wein auch nur gesehen.«
    »Oh.« Mein Kopf war bleischwer. Ich legte mich hin. »Danke.« Sofort setzte ich mich wieder auf. »Oh nein! Wie spät ist es?«
    Sie sah auf ihre Uhr. »Halb zehn vorbei.«
    »Mein Dad holt mich um elf ab.« Meine Wangen fühlten sich rau an, wund gescheuert von Bartstoppeln. Ich schaute an mir herunter. Ich war vollständig bekleidet, der Reißverschluss zu, ebenso fast alle Knöpfe. Die Boa hing immer noch um meinen Hals. »Er will mich beim Wohnheim abholen.«
    »Ich fahre dich hin.« Ihre Stimme war viel ruhiger als meine. Sie warf mir einen besorgten Blick zu. »Ehrlich gesagt, Veronica, ich hätte nicht gedacht, dass du deswegen ›Oh nein!‹ sagen

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