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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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lange, lange Pause.
    »Dad. Ich bin erledigt. Ich möchte jetzt bloß noch unter die Dusche. Und da du unterwegs bist und ich gut angekommen bin, können wir vielleicht später ...«
    »Gibt es nicht zwei oder drei Ausfahrten nach Lawrence?«
    Ich nickte. Am Handy brachte das natürlich nichts, aber mehr bekam ich einfach nicht hin.
    »Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott! OH MEIN GOTT!« Das Handy schien in meiner Hand zu vibrieren.
    »Dad. Beruhige dich bitte. Mir geht's gut.«
    Ich hörte einen dumpfen Laut. Es klang wie eine behandschuhte Hand, die auf ein Lenkrad schlug.
    »HAT DIESER MENSCH DICH ANGEFASST?«
    »Nein.«
    »HAT ER DIR IN IRGENDEINER WEISE WEHGETAN?«
    »Nein, Dad, mit mir ist alles okay.«
    »Denn wenn er das getan hat ... wenn er das getan hat, finde ich ihn und BRINGE IHN UM. Oder ich ... ich finde ihn und BEZAHLE JEMANDEN DAFÜR, DASS ER IHN UMBRINGT. Du bist ... du musst mir versprechen, nie wieder eine solche Dummheit zu machen.«
    »Versprochen.« Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände und wünschte, ich hätte lügen können. »Es tut mir leid.«
    »Okay. Morgen komme ich nach Lawrence. Ich habe ein bisschen Zeit. Wir können zusammen zu Mittag essen. Ich hole dich um elf Uhr ab. Und mach dir keine Sorgen. Du bist bei mir mitversichert. Ich bin kein Idiot.«
    »Okay«, sagte ich. Für seine Hilfe würde ich teuer zahlen müssen - es würde noch mehr Ermahnungen und wahrscheinlich jahrelang Witze über meine Fahrkünste geben -, aber ich fühlte mich trotzdem getröstet und behütet. Er brüllte zwar, aber immerhin kümmerte er sich um mich.
    Ich wollte schon auflegen, als er »Veronica« sagte. Ich hielt das Handy wieder an mein Ohr. »Ja?«
    »Also ...« Mein Vater klang plötzlich gehemmt. »Weißt du«, setzte er noch mal an, »ich habe mich gerade gefragt, was mit deiner Mutter ist.« Er räusperte sich. »Ich nehme an, du hast zuerst versucht, sie zu erreichen.«
    Ich legte einen Finger an meine Lippen. Ich konnte den Streifen geronnenen Blutes fühlen.
    »Veronica? Hast du deine Mutter angerufen?«
    Ich schaute auf meine Stiefel, die immer noch feucht von geschmolzenem Eisschnee waren. »Ich habe es versucht«, antwortete ich. »Sie war nicht zu Hause.«
    Meine Schwester rief an, als ich gerade vom Duschen zurückkam. »Du bist also nicht tot?«, fragte sie. »Nicht einmal verletzt?«
    »Mir geht's gut«, versicherte ich. Ich hatte mir ein Handtuch umgewickelt und konnte in dem Spiegel an meinem Schrank die Quetschung sehen, die der Gurt verursacht hatte. Ich fuhr mit einem Finger darüber, gerade fest genug, damit es wehtat.
    »Niemand sagt mir Bescheid, dass die Krise überstanden ist. Das Letzte, was man mir gesagt hat, war, dass du irgendwo in der Prärie verloren gegangen bist, mit nichts zu essen außer Junkfood. Dad hat mich von unterwegs angerufen. Er war laut - sogar für seine Verhältnisse.«
    Ich hätte beinahe gelächelt. »Warum hat er dich angerufen? Was hättest du von Kalifornien aus schon machen können?«
    »Er wollte, dass ich Mom anrufe.«
    Das Herz wurde mir schwer. Vielleicht hatte mein Vater die Telefonnummer meiner Mutter nicht. Aber ich vermutete, dass er, selbst wenn er sie doch hatte, es wahrscheinlich nicht über sich gebracht hätte, selbst bei ihr anzurufen. Und das, obwohl er angeblich so besorgt gewesen war. Er liebte mich, das wusste ich. Aber selbst in einer solchen Krise stand die Scheidung an erster Stelle.
    »Und? Hast du?« Ich schlüpfte in meinen Bademantel und schlang das Handtuch um mein nasses Haar.
    »Habe ich was?«
    »Mom angerufen.«
    »Moment mal«, sagte sie. »EINEN ESPRESSO GRANDE, BITTE. DREIFACH.« Ich hörte ein Rauschen in der Leitung und Hintergrundgeräusche. »Entschuldige. Ich bin in einem Drive-in und bereits seit sechs Uhr heute Morgen auf den Beinen. Sechs Uhr! Ich habe kein Leben. Wie auch immer, ja, ich habe versucht, Mom anzurufen. Sie ist nicht drangegangen.«
    »Hm«, sagte ich.
    »Was ist eigentlich passiert? Wie bist du in Topeka gelandet?«
    Ich versuchte, ihr alles so schnell wie möglich zu erzählen. Aber auch sie nahm andere gern ins Kreuzverhör - wie mein Vater.
    »Du hast den Unterricht geschwänzt, um diese Leute zum Flughafen zu fahren?«
    »Nein.«
    »Wie ist es zu dem Unfall gekommen?«
    »Es gab einen Eissturm, Elise. Viele Leute hatten heute Morgen einen Autounfall.«
    »Okay. Geh nicht gleich in die Defensive. Von dem Eis wusste ich nichts. Hier ist schönes Wetter, hier ist es immer schön.«

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