Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
trotzdem schnell.“ Ich sehe mich um, das hier ist nicht repräsentativ, nichts für Japaner und andere potente Kunden. Hier wird in erster Linie gearbeitet. An der Wand gibt es freilich auch einige Urkunden.
„Sie haben einen Salonwein gehabt“, sage ich zu Martina.
„Ja, einmal, vor ein paar Jahren. Wir haben jedes Jahr welche.“
„So schlecht scheinen sie also nicht zu sein.“
„Na ja, die sind mit ein paar Leuten von der Kostkommission befreundet.“
„Sind das nicht Blindverkostungen?“
„Da!“, ruft Martina. In einem Plastikeimer neben dem Waschbecken Rebscheren. Ich ziehe mir Handschuhe an, muss jede einzelne herausnehmen und zum Fenster halten, um zu sehen, ob eine verbogen ist. Bei der vorletzten ist tatsächlich ein kleiner Teil verbeult, das könnte passen.
„Ist die Schere groß genug, um damit das Computerkabel zu kappen?“, frage ich Martina.
„Und ob, es gibt nicht wenige, die sich mit solchen Scheren schon ganze Fingerkuppen weggeschnitten haben.“
Ich stecke die Schere vorsichtig in meine Jackentasche, jetzt erscheint mir der finstere Weg nicht mehr ganz so lang. Hoffentlich bekomme ich die Polizeifotos, dann weiß ich mit ziemlicher Sicherheit, ob die Schere passt. Ich stolpere, falle, halte mich an einem Fass fest, rutsche aus.
„Ist was passiert?“, flüstert Martina.
Ich sitze am Boden, halte mir meinen Knöchel, ich bin für Aktionen wie diese einfach nicht geschaffen. „Alles in Ordnung“, flüstere ich zurück. Mein Knöchel brennt. Ich rapple mich auf, hinke weiter, wieder zum Licht, durch den Keller nach oben.
„Sie sehen aber aus“, sagt Martina, als sie sich zu mir umdreht.
Ich bin von oben bis unten voller brauner Schlieren und Kellerschimmel.
Ich bekomme die Fotos und habe nun plötzlich doch eine gute Story: Die Rebschere passt haargenau. Ich stelle das vergrößerte Polizeibild vom abgetrennten Kabel neben das Foto von der Rebschere, auf dem man deutlich die Kerbe sieht, lehne mich zurück, lächle meiner neuen Redaktionspalme zu und bin zufrieden. Danach rufe ich Hach an, er scheint mir der deutlich Harmlosere zu sein, und erzähle ihm, dass ich höchstwahrscheinlich die Schere gefunden habe. Er reagiert aufgeregt, in einer Stunde sei er beim „Magazin“ und hole sie. Wir sollen ja nichts anfassen. Wenn ich jetzt noch wüsste, welche Fingerabdrücke … Aber das muss ich wohl der Polizei überlassen, besser, ich verärgere sie nicht total. Natürlich kann sich jemand die Schere geborgt haben, aber: Es scheint alles zusammenzupassen.
Die neue Ausgabe vom „Magazin“ ist erst einige Stunden ausgeliefert, als mir unsere Sekretärin schon einen wütenden Anrufer durchstellt.
„Aichinger junior. Ich will Sie nur warnen. Wir werden Ihr Blatt klagen.“
Von den Polizeibeamten weiß ich inzwischen, dass die Klinge der Rebschere tatsächlich zum Schnitt im Computerkabel passt, Fingerabdrücke oder sonstige Spuren gibt es nicht. Aichinger soll ruhig versuchen, das „Magazin“ vor Gericht zu bringen. Die Story ist wasserdicht.
„Sie stellen meinen Vater als Mörder hin!“
„Tue ich nicht. Warum hat er das Kabel durchtrennt?“
„Hat er nicht, das waren die selber, die wollen uns doch anschwärzen, wo es nur geht.“
Das eigene Computerkabel durchschneiden? Scheint nicht viel Sinn zu machen. „Oder waren Sie es?“
„Unsinn. Sie haben keine Ahnung, wie die Bertholds sind. Übernommen haben sie sich, können den Hals nicht voll kriegen. Alles schlucken die. So schaut die Sache aus. Wir waren bekannte Weinbauern, da ist der noch unter irgendwelchen Traktoren gelegen. Und letztes Jahr, wissen Sie, was er da getan hat? Unsere Kunden hat er angeschrieben, mit einem Kampfpreis wollte er sie zu sich locken. Ein Wirt hat uns das gezeigt, natürlich ist er trotzdem bei uns geblieben. Aber eben nicht alle. Die haben immer schon mit unfairen Mitteln gearbeitet. Ich könnte …“
„Wo waren Sie eigentlich am 1. April?“
„Unterstehen Sie sich …“
„Ihr Traktor ist beim Wald gesehen worden.“ Ein Schuss ins Blaue.
„So ein Unsinn. Ich war Wein liefern.“
„Sind Sie Jäger?“
„Ja, und mein Vater auch. Was dagegen? Ich frage mich nur, warum Sie sich von denen einkochen lassen. Was haben sie Ihnen versprochen?“
Ich atme durch. Ruhig bleiben.
„Und eines sage ich Ihnen auch“, setzt der Juniornachbar nach, „der Hans Berthold, der hat viel mehr Dreck am Stecken, als die meisten wissen.“
„Zum Beispiel?“
„Das werde ich
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