Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Kanzlei.“
„Ich dachte, du hättest dir freigegeben.“
„Keine Prozesse. Keine Termine. Aber ich muss einiges ordnen und neu organisieren.“
„Dann nehme ich Vesna mit.“
Oskar seufzt. „Wir sehen uns zum Abendessen?“
„Wenn es sich ausgeht.“
Oskar geht, um zu zahlen, und mir wird klar, dass ich ihn äußerst unfair behandle. Was kann er für die Typen von der Bank? Wahrscheinlich tut sogar Kainbacher das, was er tun kann – oder sich zu tun traut. Als Oskar wieder an den Tisch kommt, küsse ich ihn. „Danke, dass du einen Monat herausgeschunden hast.“
Er lächelt beruhigt. „Für irgendetwas muss ich ja gut sein.“
„Du bist mein Lustobjekt. Pardon: Lustsubjekt.“
„Mit Vergnügen. Wie wär’ es heute um acht bei mir?“
Ich nicke.
Vesna und ich fahren auf das Weingut Kaiser zu, das Riesenschild direkt an der Brünnerstraße ist nicht zu übersehen, wir passieren Großhofing, es ist noch kleiner als Treberndorf, vielleicht vierzig, fünfzig Häuser, schätze ich. An einer der ausgeblichenen Hausfassaden steht im Design der Siebzigerjahre geschrieben: „Kaiserwein vom Weinkaiser!“ Da sage noch einer, nichts sei besser geworden. Mit solchen Werbesprüchen würde sich heute niemand mehr anzutreten trauen.
Unser Plan ist klar: Vesna ist eine Weinjournalistin aus Slowenien, sie meint, bosnische Weinjournalistinnen nähme einem niemand ab, ich bin ihre Freundin, sollte jemand danach fragen, Rechtsanwältin aus Wien, Kanzlei Oskar Kellerfreund. Ich muss versuchen, ihn dazu zu bringen, mir eigene Visitenkarten drucken zu lassen. Das wäre auch damals in der Karibik recht hilfreich gewesen.
Die Auffahrt zum Weingut ist eindrucksvoll: Eine lange Pappelallee, das Weingut schon mehr ein Weinschloss, nur wenn man genau hinsieht, bemerkt man dahinter die Produktionshallen. Vor der Tür ein schwarzer offener Porsche. Vielleicht hat Nicole Kaiser Recht: Das hier scheint tatsächlich eine ganz andere Kategorie von Weinunternehmen zu sein. Auch wenn bei den Bertholds alles neu und modern ist und hier der Verputz da und dort Risse zeigt. Es wäre wohl eine Menge Arbeit, diese Fassade neu zu streichen.
Wir sehen ein Hinweisschild: „Zum Weinmuseum. Freier Eintritt.“
Vesna nickt.
Wir sind die einzigen Besucherinnen. In zwei gewölbten Räumen – vielleicht Teil eines früheren Stallgebäudes – ist vieles ausgestellt, das zum traditionellen Weinbau und zum Landleben gehört: eine Baumpresse, allerdings viel schlechter in Schuss als die bei den Bertholds, hölzerne Bottiche, in die die Trauben gelesen wurden, bevor es Schiebetruhen gab, uralte Spritzgeräte aus Kupfer, Weinfässer, Weinheber, Weingläser. Einige sehr schöne alte Fotos von der Weinlese zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und vom Weinhandel: ein Pferdegespann, auf dem Wagen dahinter zwei Fässer, auf denen gut sichtbar „Kaiser-Wein“ geschrieben steht.
Im Nachbarraum alles über die Erfolgsgeschichte der Familie Kaiser: Fotos mit Prominenten und Staatsoberhäuptern vergangener Jahrzehnte. Johann Kaiser – es muss wohl der Großvater der jetzigen Kaisers sein –, wie er stolz seine neu gezüchtete Rebe, die Kaiserperle, vorstellt. Bilder von Festen mit Kaiser-Sekt, Flaschen, Etiketten und Aufnahmen von damals ganz modernen Produktionsanlagen. Statistiken und Zahlen.
„Alles lange her“, murmle ich.
„Ist ja auch Museum“, meint Vesna.
Ich höre Stimmen, wir tun, als wären wir in die Statistik der stetig wachsenden Anbaufläche vertieft. Die Stimmen klingen dumpf, weit weg, aber erregt, sie kommen nicht näher. Die beiden Männer, die zu hören sind, scheinen sich hinter den Museumsräumen aufzuhalten. Im Eck, hinter einem großen Fass, ist eine Tür.
„Statistik endet vor zwanzig Jahren“, wispert Vesna. „Ist neue nicht so gut, dass sie sie zeigen wollen?“
Ich deute zur Türe, Vesna nickt. Die Klinke gibt nach, ich öffne vorsichtig, wir stehen in einem verwitterten Gang, hören jetzt deutlicher:
„Sei froh, dass ich mich nicht einmische.“
„Das bin ich auch, da kannst du dir sicher sein, du hättest alles ruiniert.“
„Du kannst mich nicht beleidigen, Christoph. Im Gegensatz zu dir weiß ich wenigstens, was ich kann und was ich nicht kann. Du gibst mir die fünfzigtausend Euro. Du weißt, was ausgemacht ist.“
„Ausgemacht? Dass ich nicht lache, ich weiß schon nicht mehr, wie ich das verbuchen soll. Du beziehst ein Gehalt. Auch wenn niemand eine Ahnung hat, wofür.“
„Was wäre, wenn
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