Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
gelungen, aber das mit dem Schwarzbrot hätte er lassen sollen. Es schmeckt grauenvoll, irgendwie nach altem Kleister mit grauer Pappe.
Alle sind aufgedreht, nervös. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, mit wem wir es zu tun haben werden. Wer kennt schon die amerikanischen Weinjournalisten, Einkäufer und all die, die im Schlepptau mit dabei sind? Der Geschäftsführer der CW spricht zum Glück sehr gut Englisch, seine Begrüßung ist kurz. Der Reihe nach werden die Winzer vorgestellt, sie gehen auf das Podium, präsentieren einen ihrer Weine, weisen auf ihre anderen Sorten hin. Zwei junge Mädchen, angeheuerte New Yorkerinnen, verteilen Proben der jeweils besprochenen Weine, auch sie – zu meinem Entsetzen – im Dirndlkleid.
„Man braucht diese Mischung aus Tradition und Business“, hat mir der Company-Wein-Chef erklärt. Ich weiß nicht.
Immer mehr Besucher kommen, bald ist der Saal heillos überfüllt. Eva erledigt ihren Part gut, sie präsentiert nicht ihren hoch dekorierten Riesling, sondern einen Weißburgunder mit leichtem Barriqueton. Gut so, die Amerikaner sind immer noch süchtig nach derartigen Weinen. Etwas, das so ähnlich schmeckt wie ihre Chardonnays – nur besser.
Eva kommt zurück, entdeckt einen Einkäufer, der schon bei ihnen in Treberndorf Weine verkostet und bestellt hat. Auf die Frage, wo Hans denn sei, antwortet Eva: „At home.“
Sie sieht meinen erstaunten Gesichtsausdruck, flüstert mir zu: „Ich will nicht, dass sie aus Mitleid kaufen. Und ich will schon gar nicht, dass sie meinen, ohne ihn sei alles anders. Schlechter.“
Trotzdem: Es gelingt nicht, den Tod von Hans Berthold geheim zu halten. So eine Weinpräsentation hat auch viel mit Austausch von Neuigkeiten, mit Tratsch zu tun, und bald merke ich, wie immer mehr mitleidige, teils auch neugierige Blicke auf Eva gerichtet sind. Ich gehe hinüber zum CW-Chef. Er redet mit zwei Männern und einer eleganten Blondine, Typ amerikanische Erfolgsfrau, mir etwas zu perfekt gestrickt: schlank, halblange Haare, dezent geschminkt, halbhohe Schuhe, teures, aber nicht auffälliges Business-Kostüm. Ich flüstere ihm zu: „Eva Berthold will nicht, dass über den Tod ihres Mannes geredet wird. Wenn man es vermeiden kann …“
Ich bin davon ausgegangen, dass mich in diesem Trubel erstens niemand außer dem CW-Chef hört und dass zweitens niemand außer ihm Deutsch versteht.
Die Blondine wird bleich. „Berthold, Hans Berthold?“, sagt sie in tadellosem Deutsch.
„Seine Frau ist da“, versuche ich abzubiegen.
„Was ist mit ihm?“
Der CW-Chef räuspert sich. „Er ist ums Leben gekommen.“
Es fehlt nicht viel, und die beiden Begleiter der Business-Lady müssen sie auffangen, nur durch äußerste Selbstbeherrschung hält sie sich aufrecht.
„Übrigens, eine Kollegin von Ihnen“, fährt er zu mir gewandt fort, „April Wanders, Journalistin beim berühmten ‚Wine Spectator‘. Bertholds Riesling hat letztes Jahr vom ‚Spectator‘ eine enorm hohe Punkteanzahl bekommen. Er hat alle Elsässer geschlagen. – Mira Valensky, Journalistin aus Wien“, stellt er mich vor. Den „Wine Spectator“ kennt man international – das „Magazin“ nur in Österreich. Schon in Ordnung, wieder einmal daran erinnert zu werden.
April Wanders schüttelt mir mit einem angestrengt höflichen Lächeln die Hand. „Haben Sie nicht die Story über den Aufstieg von Hans Berthold geschrieben ?“, frage ich sie.
April Wanders nickt. „Sie kannten Hans Berthold?“, will sie wissen.
„Ja. Ich kann Sie zu seiner Frau bringen.“
„Nicht nötig“, das kommt sehr rasch, „kann ich mit Ihnen ein wenig plaudern?“
Ich suche einen Platz etwas abseits vom Trubel, dort hinten steht eine Palme. Zum Glück haben sie wenigstens keine Tannen als Dekoration aufgestellt, ich fürchte mich ohnehin schon die ganze Zeit vor dem Moment, in dem die bekanntesten Melodien von „Sound of Music“ einsetzen könnten. Edelweiß, my Edelweiß und so … Aber was Folklore angeht, bin ich eben etwas empfindlich bis ungerecht.
„Gefällt Ihnen die Veranstaltung?“, frage ich April Wanders.
„Hm. Ja, sehr gut. Sehr gute Weine“, sie spricht fast perfekt Deutsch. „Ich habe einen Teil meiner Ausbildung in Deutschland absolviert“, erklärt sie. „Meine Großeltern mütterlicherseits kommen aus dem Rheingau. Was ist mit Hans Berthold geschehen?“
„Er ist erschossen worden. Er war in der Früh joggen, man hat ihn am Waldrand gefunden, gleich bei einem
Weitere Kostenlose Bücher