Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Großvaters ist von der Glut gerötet, er wendet mit fachmännischem Blick enorm große Bratwürste. Ich schlendere gemütlich zurück zum Keller, lasse die Stimmung auf mich wirken. Zwei große Trauerweiden in der Mitte, von der Sonne erwärmtes Kopfsteinpflaster, die vielen Menschen an den Tischen, Kinder, die herumlaufen, Hunde. Reblaus hat daheim bleiben müssen, niemand hätte Zeit, auf ihn aufzupassen. Und er ist einfach zu lebendig, als dass man ihn laufen lassen könnte. Gismo wird am Fenster sitzen und ihn anstarren.
Vor allem die älteren Besucher haben sich für das Dorffest herausgeputzt: Man sieht Sommerkleider und weiße Hemden, allerlei Trachtenartiges, aber kaum Traditionelles, eher das, was es in der Abteilung „Ländlich“ bei den großen Textilketten zu erstehen gibt. Die Torten, Kuchen und Kekse in den Vitrinen sehen großartig aus, vom Backen verstehen die Frauen hier eine Menge. Ana hat einen Rehrücken, Punschkrapferl und Schaumrollen abgeliefert. Vor allem ihre Schaumrollen sind ein Renner. Kein Wunder, ich habe bei den Bertholds schon vier oder fünf davon gekostet: Sie füllt sie nicht mit diesem klebrigen Zuckerschnee, sondern mit Schlagobers, das sie mit etwas Himbeer- oder Heidelbeersirup verfeinert. Beide Enden der gefüllten Rollen werden dann noch mit Schokoglasur überzogen.
Ich sehe, dass sich eine größere Gruppe auf den Berthold-Keller zu bewegt. An sich hätte ja Christian kommen und helfen sollen, aber sein Auswahlpraktikum in Zürich dauert länger als vereinbart, irgendeine Testserie mit Meeresschwämmen ist aufwändiger als gedacht. Er will sich auf Meeresmikrobiologie spezialisieren und scheint sehr gut zu sein. Mit einigem Glück kann er für ein Jahr nach Harvard, dort gibt es einen jungen österreichischen Professor, der darauf achtet, dass heimische Talente eine Chance bekommen. Wäre ein schönes Reportagenthema: „Erfolgreiche österreichische Wissenschaftler im Ausland.“ Aber wohl zu anspruchsvoll für das „Magazin“. Außerdem: Die Reisespesen wären doch nicht drin. Vielleicht finde ich einen anderen Zugang: „Dein Badeschwamm und du“, irgendetwas in dieser Art. Schwämme sollen die genetische Fähigkeit besitzen, Krankheitskeime abzuwehren – und das will man in der Humanmedizin einsetzen, hat mir Christian in einem Mail erklärt. Eva kann stolz auf ihn sein, auch wenn er kein Weinbauer werden will. Man hat ihn zum Glück nie dazu gezwungen. Martina auch nicht, vielleicht ist das mit ein Grund, warum sie davon so begeistert ist: Es ist ihre eigene Entscheidung.
Während der nächsten Stunde helfe ich ihr dabei, Interessierten den Schaukeller zu zeigen, Wein einzuschenken. Ana verkauft belegte Brote, Vaclav und Tomek müssen einige Male Kartons mit Wein nachliefern, vor allem Besucher von außerhalb wollen Wein mitnehmen. Zwischendurch sehe ich auf die Uhr. Eigentlich müsste Oskar schon da sein. Vielleicht sitzt er längst irgendwo und trinkt ein Glas. Das will ich auch, aber kann ich Martina alleine lassen? Sie erklärt gerade einer Gruppe den Barrique-Ausbau. Wenn sie in Mathematik so gut wäre wie in den praktischen Weinbaufächern, hätte ihre Mutter eine Sorge weniger.
Jemand legt mir die Hand auf die Schulter. Eva. „Ich habe mich vom Weinstand losgeeist. Sie sollen nicht glauben, dass ich im Weinladen und im Weinbauverein nicht das mache, was alle machen, aber jetzt haben sich auch schon ein paar andere abgeseilt – wahrscheinlich um Wein zu verkosten, da kann ich auch gehen und sehen, wie es bei uns im Keller läuft.“
Ich finde es seltsam, dass sie keine weiteren drei Flaschen Riesling hergeben wollte. Immerhin: Ein paar hundert Flaschen lagern noch im Keller, da kann es doch darauf nicht ankommen. „Ist der Riesling schon komplett aus?“, frage ich etwas heuchlerisch.
„Nein, aber wir haben nur mehr kleine Restbestände. Alle Kunden wollen Riesling, ich kann ihn zehnfach verkaufen, da reichen die drei vereinbarten Gratisflaschen. Es gibt genug Winzer, die gar nichts mehr nachbringen, wenn ihr Wein aus ist. Und der Weißburgunder ist auch nicht schlecht. – Übrigens: Oskar sitzt mit Dr. Moser, dem Anwalt, auf der Bank vor dem Keller, den er von uns gepachtet hat, er scheint ihn zu kennen.“
Die Sonne geht unter, die Kirtagsmusik intoniert den Schneewalzer, trifft nur noch jeden zweiten Ton, schräg-romantisches Hörerlebnis, noch immer sind die meisten der Tische besetzt, es wird viel gelacht, getrunken. Auch Aichingers
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