Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Menschen um diese Uhrzeit schon unterwegs sind. Wäre Gismo niedergefahren worden, dann wüsste das jemand. Ich frage im Lebensmittelgeschäft nach, in der Filiale der Drogeriekette, beim Elektriker. Niemand hat meine Schildpattkatze gesehen, es scheint sich auch niemand besonders Sorgen um sie zu machen. Man spottet wohl eher über die Wienerin, die ihre Katze einfangen möchte. Was soll’s, Gismo ist die Freiheit nicht gewohnt und das Landleben mit all seinen Gefahren schon gar nicht. Und ich will sie nicht verlieren.
Eva erinnert mich daran, dass ich den Weinladendienst übernommen habe. Um drei soll ich aufsperren, sie zeigt mir alles: Jeder Winzer hat eine gewölbte Box, in der er seine drei Weinladenweine präsentieren kann. Einige der Boxen sind einfach, andere auffällig gestaltet, über Geschmack lässt sich nicht nur beim Wein, sondern auch bei der Dekoration streiten. Jeder der Weine kann verkostet werden, für die Weißweine gibt es einen großen Kühlschrank. Es gibt eine Preisliste, die Registrierkassa will mir Eva ein andermal, wenn sie mehr Zeit hat, erklären. Ich solle einfach alles auf einen Zettel schreiben und sie tippt das dann in die Kassa. „Am Donnerstag kommen ohnehin weniger Weinkäufer von auswärts, eher einige Männer aus dem Dorf, die ein paar Achtel trinken wollen. Das Gasthaus hat heute Ruhetag.“
Sie behält Recht. Am Nachmittag schaut lediglich ein Paar vorbei, das offenbar aus Wien ist und hier in der Gegend ein Wochenendhaus besitzt. Sie sind nicht zum ersten Mal im Weinladen, wollen auch nicht kosten, sondern geben gleich ihre Bestellung auf. Ich suche die Weine zusammen, fast die Hälfte stammt von den Bertholds, rechne zusammen, zum Glück ist ein kleiner Taschenrechner in der Lade, Kopfrechnen war nie meine Stärke, kassiere. Eine einfache, beinahe beschauliche Sache. Wieder allein, lese ich meinen Lena-Lehtoleinen-Krimi weiter. Abgesehen davon, dass er spannend und gut geschrieben ist, tröstet mich das beschriebene Wetter in Finnland über den verregneten Sommer hier beinahe hinweg. Eine Stunde später schneit Viktor herein. Er ist Mitglied des Weinladens, produziert nach wie vor ganz passablen Wein, aber niemand will Prognosen abgeben, wie lange er es noch schafft. Sein Gesicht ist gerötet, die Nase rinnt leicht, er ist so dünn, dass die Jeans nur durch die Hosenträger gehalten werden. „Ein Achtel Weiß, egal welchen, was du offen hast“, sagt er. Mir fällt es schwer, einem in diesem Zustand noch Alkohol zu geben, aber Eva hat gemeint, trinkt er ihn nicht da, trinkt er ihn anderswo, und trinkt er ihn bei sich zu Hause, dann trinkt er noch mehr. Ich bin nicht für alles Unglück auf dieser Welt zuständig. Kaum vorstellbar, dass Viktor noch vor zehn, fünfzehn Jahren als gute Partie gegolten hat. Wären da nicht seine Eltern, die die Landwirtschaft betreuen, er hätte wohl gar nichts mehr. Aber Viktor ist zumindest ein friedlicher Alkoholiker, er randaliert nicht, stänkert nicht. Er trinkt. Beim zweiten Achtel fragt er: „Du bist die, die bei der Eva eingezogen ist, oder?“
„Ich wohne für einige Wochen bei ihr.“ Ich habe nicht vergessen, dass er bereit gewesen ist, an das Lesben-Gerücht zu glauben. Aber er hat es offenbar vergessen.
Er nickt. „Hans war ein netter Bursch.“
„Und Eva?“, frage ich. Vielleicht bringe ich aus seinem alkoholvernebelten Gehirn etwas heraus, das mir andere nicht erzählen würden.
„Die hat’s nicht immer leicht gehabt. Der Hans war ein fescher Bursch. Und sie war das schönste Mädel der Umgebung, also hat er sie genommen.“
Drei Männer, die mir bekannt vorkommen, betreten den Weinladen.
„Nicht wahr, Eva war das fescheste Mädel von da bis Timbuktu?“, ruft Viktor in die Runde.
Die sehen von ihm zu mir, der eine sagt: „Sie schaut immer noch gut aus. Lass das Tratschen, Viktor.“
Sie bestellen Weine, zwei der drei Männer sind selbst Mitglied im Weinladen. Man verkostet die Produkte der Kollegen, ohne viel dazu zu sagen.
„Ich bin für Eva eingesprungen, sie ist ziemlich im Stress“, erkläre ich vage. Sie müssen nicht wissen, dass ihr gleich drei slowakische Arbeitskräfte abhanden gekommen sind.
„Passt schon“, erwidert der mit der braunen Lederjacke. „Eva kann sicher Unterstützung brauchen. Es ist schon für unsereins genug Arbeit, dann erst für sie … so ganz ohne Hans …“
„Sie wird es schaffen“, sage ich schnell.
„Tja“, wiegt der kleine Dicke den Kopf, „tüchtig ist sie
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