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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wurden aus Westpaketen gesammelt. Dann saßen wir stundenlang und wickelten die Dinger aus, weil das Bonbonpapier oft Tabletten enthielt.
    Antje bekam plötzlich Angst vor dem Sportunterricht. Sie weigerte sich, am Stufenbarren Übungen zu machen. Man sah ihr die Angst richtig an. Ich redete ihr immer gut zu. Die Turnlehrerin zeigte kein Verständnis, sie wollte die Stunde nicht eher beenden, bis Antje die Übung gemacht hatte. Das brachte die Klasse so gegen Antje auf, daß sie noch mehr veralbert wurde. Sie litt sehr unter den Hänseleien und weinte viel. Bald standen wir allein gegen alle und sonderten uns ab. Nur zum Schlafen mußten wir uns trennen, sie lag in einem anderen Zimmer.
    Wenn sie sich am Wochenende bei ihrer Schwester aufhielt, fehlte sie mir, ich kam mir dann verlassen vor und sehnte ihre Rückkehr herbei.
    An einem Sonntagabend wartete ich auf Antje am Heimtor; sie kam nicht pünktlich zurück. Es dunkelte schon, ich ging in die Gruppe, setzte mich ans Fenster und schaute hinaus. Endlich sah ich sie. Ich sprang von meinem Stuhl hoch und rannte ihr entgegen. Als ich ihr um den Hals fiel, sah ich, daß sie weinte. Bei meinem Versuch, sie zu trösten, weinte sie nur noch mehr. Dann sagte sie:
    »Ich muß dir etwas erzählen, was keiner erfahren darf.«
    Wir gingen in die Gruppe, aber hier fanden wir keine ruhige Ecke, überall saßen die Mädchen und erzählten vom Wochenende.
    Mir fiel der Vorraum zum Büro ein, dort würde uns keiner stören. Wir nahmen uns zwei Stühle und setzten uns in eine Ecke ans Fenster. Draußen war es stockdunkel, im Raum auch. Ich schaute Antje nicht an, sie sollte sich Zeit nehmen und sich nicht bedrängt fühlen. Ich ahnte etwas ganz Böses und hatte Angst davor. Noch nie hatte ich ein Mädchen so weinen sehen. Es war ein völlig verzweifeltes Weinen, es klang wie ein leises Schreien der Seele.
    In dieses Weinen hinein hörte ich den Satz:
    »Ich kriege ein Kind!«
    Sofort weinte ich auch. Wir saßen und weinten beide, mein Weinen klang jetzt wie Antjes.
    Entsetzen und Angst überkamen mich. Was wird aus Antje? Ich hatte noch nicht einmal geküßt. Mir fielen auch keine tröstenden Worte ein. Womit sollte ich sie auch trösten?
    Schließlich hörte ich mich fragen:
    »Ich welchem Monat?«
    »Im siebenten«, sagte sie.
    Schon so weit? dachte ich, und keiner hatte etwas bemerkt. Daher ihre Angst beim Sport.
    Nun wurde mir plötzlich so vieles an Antjes Verhalten klar. Sie wollte mir nicht sagen, wer der Vater des Kindes war. Ich überlegte, welcher Junge in Frage käme, konnte aber keinen finden, der sich um Antje bemühte. Ich bedrängte Antje mit meiner Frage, wer der Vater sei Er hatte doch auch Schuld an ihren Tränen. Wir saßen mehr als eine Stunde zusammen, und ich hörte ihr stumm, fast wie gelähmt zu.
    Wenn sie zu ihrer Schwester fuhr, freute sie sich immer sehr. Jeder im Heim schien glücklich zu sein, wenn er zu Verwandten konnte, nur ich nicht. Zu meinen Pflegeeltern ging ich schon seit zwei Jahren nicht mehr.
    Eines Tages verlangte der Schwager von Antje, daß sie sich auf seinen Schoß setzen sollte. Ihre Schwester war gerade nicht zu Hause, und Antje dachte sich nichts dabei. Erst streichelte er Antje, sagte ihr nette Worte, wie schön und wie groß sie geworden sei Sie fühlte sich durch seine Worte geschmeichelt. Als er mit seiner Hand unter ihre Bluse fuhr und ihre Brust berührte, spürte sie gleichzeitig die andere zwischen den Beinen unter ihrem Rock. Sie wollte sich wehren und weglaufen, empfand es aber auch schön, liebkost zu werden. Das Gefühl des Körperkontaktes hatte sie bisher nicht kennengelernt, weder durch eine Mutter noch durch eine Erzieherin, und plötzlich wurde sie von einem Mann geliebt. Erst wollte sie ihrer Schwester alles erzählen, aber ihr Schwager warnte sie, drohte auch, sie dürfe dann nie mehr kommen. Antje liebte ihre Schwester und hielt den Mund. Sie klammerte sich daran, daß ihr Schwager sie wirklich liebte. Die Angst vor seinen Drohungen war stärker als die Angst vor einer Schwangerschaft. So hatte sie mit dreizehn Jahren begonnen, ihrem Schwager hörig zu werden. Irgendwie fand er immer eine Gelegenheit, sie zu zwingen, ihre Liebe zu ihm zu beweisen.
    Während ich zuhörte, durchliefen mich verschiedene Gefühle, vor allem Haß und Wut auf diesen Mann.
    Als ich Antje fragte, ob sie wirklich glaube, daß er sie liebe, zeigte sie mir einen goldenen Verlobungsring.
    »Der Ring ist ja nur ein Trick!« versuchte ich ihr

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