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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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klarzumachen. »Damit will er dich doch nur zum Schweigen bringen! Er kann sich nicht verloben, wenn er noch verheiratet ist, und wenn herauskommt, daß er eine Minderjährige verführt hat, blüht ihm Zuchthaus!«
    »Er will mich heiraten, wenn ich achtzehn bin«, sagte sie noch, und dann weinte sie wieder. Schöne Geschenke wolle er ihr machen, wenn sie den Mund hielte. Das erste hatte sie ja schon, im Bauch! So ein Schwein, dachte ich.
    Obwohl ich diesen unbekannten Mann haßte, mußte ich Antje schwören, nicht den Vater des Kindes zu verraten. Von nun an beschützte ich sie noch mehr, ich achtete auch darauf, daß sie nicht mehr nach Hause fuhr. Bald hatte Antje mit ihren Sachen Schwierigkeiten, sie konnte den Bauch nicht mehr einziehen, und das Baby strampelte schon. Ich machte mir ernsthafte Gedanken, wie wir mit dem Problem fertig werden könnten. Mir fiel keine bessere Lösung ein, als zur Fürsorge zu gehen. Nun blieb mir nichts weiter übrig, als Antje meinen Entschluß mitzuteilen. Sie weinte und hatte schreckliche Angst vor den Fragen der Fürsorgerin. Ich beteuerte noch einmal, daß ich nichts verraten würde.
    Am nächsten Morgen ging ich in das Zimmer der Heimfürsorgerin.
    »Ich habe keine Zeit«, fuhr sie mich an, »raus jetzt!«
    Ich hatte noch kein Wort gesagt.
    »Antje kriegt ein Kind!« brüllte ich ins Büro und knallte die Tür wieder zu.
    »Nie hat jemand Zeit für uns, hier kann man sogar Kinder kriegen, ohne daß es einer merkt«, sagte ich zu Antje und wollte mit ihr gehen. Aber da öffnete sich die Tür.
    »Was hast du gesagt?« fragte mich die Fürsorgerin.
    »Ach«, schrie ich sie an, »haben Sie mich nicht verstanden?«
    »Doch, doch«, sagte sie schnell. »Stimmt das, Antje?«
    Antje stand von ihrem Stuhl auf. Als Frau müßte die Fürsorgerin ja einen Blick für Schwangere haben, dachte ich.
    »Komm rein, Antje«, sagte sie zu ihr, und zu mir gewandt:
    »Du wartest draußen.«
    Arme Antje, dachte ich. Als sie nach zwei Stunden noch nicht aus dem Zimmer kam, ging ich in meine Gruppe und wartete dort auf sie. Sie kam verweint zurück und beschwor mich, nichts zu verraten. Nun wurde ich befragt. Am liebsten hätte ich alles erzählt, so sehr wünschte ich eine Strafe für dieses Schwein von Mann, aber ich sagte:
    »Ich weiß nichts, Antje hat mir nur von dem Kind erzählt.«
    Sie packte am nächsten Tag ihre Sachen und kam nach Bad Saarow in ein Heim für werdende Mütter. Sechs Wochen später schrieb sie mir einen Brief.
    Liebe Ursula!
    Ich möchte Dir zuerst schreiben, daß ich eine süße Tochter geboren habe. Sie heißt Mandy, alle haben mich wegen meiner Tapferkeit bewundert. Dabei bin ich gar nicht mutig, es hat ganz schön weh getan. Am liebsten hätte ich geschrien wie die anderen Frauen. Aber ich habe die Zähne zusammengebissen. Neben mir lag eine Frau, die war auch noch jung, sie schrie vor Schmerzen, und zu der sagte die Schwester: »Schrei nicht so, hättest es dir früher überlegen müssen.«
    Liebe Ursula, ich hätte nie gedacht, daß Frauen so gemein sein können. Der Vater hat sich noch nicht gemeldet, aber meine Schwester läßt sich scheiden. Ursula, Du fehlst mir ganz schön. Die Kleine ist so winzig, ich traue mich kaum, sie anzufassen. Ich habe Angst, sie könnte kaputtgehen. Morgen gehen ich zum Fotografen, dann schicke ich Dir ein Foto von ihr.
    Vergiß mich nicht!
    Deine Antje und Mandy.
    Ich vergaß Antje nicht, aber abgelenkt durch ständig neue Ereignisse, schrieb ich immer seltener an sie.
Winterferien
    Ina kam erst mit fünfzehn in mein Zimmer. Sie hatte einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich und wollte nie mehr nach Hause zurück. Ihr Stiefvater hatte sie verführt.
    Meine Angst vor »draußen« nahm zu. Welche Geheimnisse das Leben auch barg, ich wollte sie nicht ergründen. Ich hatte das Gefühl, daß alles, was außerhalb des Heimes geschah, nicht gut war. Ständig kamen neue Kinder ins Heim, die von ihren Eltern Schlechtes erzählten. Traurige, angstvolle Waisenkinder wurden seltener. Waren wir erst eine Gemeinschaft aus Kriegs-, Nachkriegs- und Flüchtlingskindern gewesen, so mehrten sich nun die Kinder aus milieugeschädigten Elternhäusern.
    Die Traurigkeit über den Verlust von Antje hatte ich überwunden. Mit Ina, Carlotta und Maike aus meinem Zimmer verstand ich mich gut. Ina sah zwar mit ihrer Hakennase und der gedrungenen Figur wie ein Kobold aus, aber die Jungs waren mächtig hinter ihr her. Das einzige, was mich erstaunte, war, daß sie

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