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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mit völliger Offenheit über das Bumsen redete. Das konnte nur mit eigenen Erfahrungen zusammenhängen. Von den Erziehern erhielten wir keine sexuelle Aufklärung. Was wir darüber wußten, beruhte alles auf Erzählungen untereinander.
    Einmal wollten wir wissen, wie das Zeug von den Jungs aussah. Ina versprach, es uns zu zeigen. Sie ging mit einem Jungen in den Keller; nach einer halben Stunden war sie wieder oben, zeigte ihre geschlossene Faust und sagte:
    »Ich habe es!«
    Aus irgendeinem Grund wollte ich es nun doch nicht mehr sehen und verließ das Zimmer. Carlotta sagte mir später, daß es wie Klebstoff aussah, richtig eklig.
    Carlotta war mit vier Jahren ins Heim gekommen, ihre Mutter war auch in den Westen abgehauen.
    Mit Carlotta freundete ich mich an. In den Winterferien fuhren wir für eine Woche an den Werbellinsee. Es lag herrlicher Schnee, die Jugendherberge stand am Waldrand, an ihr vorbei führte die einzige Straße um den See und zu den Ortschaften.
    Auf mich wirkte der Wald in seiner Ruhe, eingehüllt in der dicken Schneedecke, wie eine Märchenlandschaft. So schön mußte die Welt vor hundert Jahren gewesen sein, dachte ich.
    Stundenlang gingen Carlotta und ich im Wald spazieren. In dieser Ruhe störte uns niemand, und wir konnten über vieles reden. Eines unserer Lieblingsthemen waren unsere Mütter. Wir stellten uns vor, wie es wäre, wenn sie sich plötzlich melden würden? auf jeden Fall wollten wir ihnen nicht verzeihen, daß sie uns im Stich gelassen hatten.
    War das Heim auch unser Zuhause, so waren die Erzieher doch keine Eltern. Es war ihr Beruf, auf uns aufzupassen. Jeder Erzieher war froh, wenn der Tag ohne unangenehme Zwischenfälle verging und nichts seinen Dienstschluß verzögerte.
    Wenn ich mich mit einem Mädchen stritt oder Ärger mit einer Erzieherin hatte, wünschte ich mir sehr, meine Eltern möchten kommen und mich holen. Aber das war nur ein Traum. Wie alle Kinder litt ich unter dem Gefühl, nicht geliebt zu werden. Ich redete mir ein, daß meine Mutter vielleicht einen Grund gehabt hatte, mich zu verlassen. Ich wollte nicht daran denken, daß sie schlecht und das der Anlaß für mein Leben im Heim war.
    Bei einem Spaziergang mit Carlotta fanden wir eine alte Laterne. Wir nahmen sie in die Mitte und gingen zur Straße, wanderten und sangen dabei das Lied: »Ich geh' mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir.«
    Lachend entfernten wir uns immer mehr von der Herberge. Ich kam plötzlich auf die Idee, die Laterne mitten auf die Straße zu stellen, um zu sehen, was passierte, wenn ein Auto kam. Wir waren aufgeregt und fanden es spannend, aber als wir den Motor eines Lastwagens hörten, machten wir uns bald vor Angst in die Hosen. Das Auto kam näher, wir konnten es schon sehen. Ich wünschte mir richtig, daß etwas passieren sollte, aber bei Carlotta siegte die Vernunft. Sie rannte zurück, griff die Laterne und sprang zur Seite. Da raste der LKW auch schon vorbei. Ich sah die Rücklichter und dachte: Noch mal Glück gehabt! Mein Blick fiel auf die Laterne, sie tat mir auf einmal leid. Sie war schon mächtig alt und verrostet, wer weiß, was sie schon alles erlebt hatte. Wenn die erzählen könnte, dachte ich. Wir beschlossen, sie in die Herberge mitzunehmen.
    Schwatzend setzten wir unseren Spaziergang fort. Rechts von mir lag bis zum See ein Sumpfgelände, das nicht gerade sehr romantisch aussah. Aber zur linken Seite wurde die Straße von schneebedeckten Bergen eingesäumt. Mein Blick wanderte oben am Bergrand entlang, als ich plötzlich einen Mann entdeckte, der, sich halb versteckend, auf uns zukam. Mein Herz begann rasend zu schlagen. Ich sagte zu Carlotta:
    »Sieh mal, der Mann dort oben.«
    Jetzt konnten wir ihn schon besser sehen. Angst überfiel uns. Er hatte seinen Fimmel draußen und fummelte daran herum, dabei kam er immer näher. Wir wußten nicht, wohin. Geradeaus schnitt er uns den Weg ab, rechts der Sumpf, und zurück waren es fast drei Kilometer durch den Wald. Entsetzen packte mich. Obwohl ich warm angezogen war, begann ich zu frieren, wie gelähmt stand ich auf der Stelle. In meinem Kopf jagten die Gedanken wild nach einem Ausweg. Etwa einen halben Kilometer vor uns war ein Dorf. Es blieb uns nur der Weg nach vorn. Plötzlich rannte Carlotta wie eine Verrückte und schrie, mit der Hand winkend:
    »Hallo, Tante Emma, so warte doch!«
    Sie wollte den Eindruck erwecken, wir seien nicht allein auf der Straße. Sie hatte schon einen gewaltigen Vorsprung, aber

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