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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sagte:
    »Du mußt doch wissen, wer deine Eltern sind, oder wer hat dich hierhergebracht?«
    »Ich bin aus einem Heim«, flüsterte ich.
    Meine Antwort brachte sie in Verlegenheit, und sie sagte:
    »Na, lassen wir das, ich werde ja sicherlich alles in deinem SV-Ausweis finden.«
    Als sie das Zimmer verließ, drehte ich mich zur Wand und kämpfte gegen meine Tränen und dachte: Wer weiß, wie oft ich in meinem Leben noch diese Fragen beantworten muß, vielleicht denke ich mir beim nächsten Mal einfach irgendwelche Namen aus.
    Bis alle Untersuchungen abgeschlossen waren, hörten die Fragen nach meiner Herkunft nicht auf. Zum ersten Mal litt ich entsetzlich darunter, keine Eltern zu haben. Alle Menschen, die mir im Krankenhaus begegneten, waren sehr erstaunt darüber, daß es unschuldige Heimkinder gab. Auch die Frauen in meinem Zimmer dachten, daß nur Kinder in Heimen sind, die nicht auf ihre Eltern hören.
    Daran merkte ich, wie wenig die Erwachsenen über uns Heimkinder nachdachten. Ob aus Mitleid oder Sympathie, die Frauen waren richtig lieb zu mir. Als mein ganzer Kopf wie der einer Mumie verbunden war und nur noch eine Nasen- und Mundöffnung übrigblieb, fütterten sie mich mit kleinen Häppchen und sprachen mir Trost zu:
    »Es wird schon wieder.«
    Überhaupt lebte ich hier wie eine Fürstin. Zwei Wahlessen standen jeden Tag auf der Speisekarte, es gab auch ein zweites Frühstück.
    »Aber«, so sagten die Frauen, »so ist es nicht in allen Krankenhäusern, nur hier, weil es der Regierung gehört und man Angehöriger der Polizei sein muß.«
Abschied vom Heim
    Während meines Krankenhausaufenthaltes mußten die Mädchen das Heim verlassen und in das Jugendwohnheim Treptow ziehen. Bei Besuchen erzählten sie mir schreckliche Dinge über das Mädchenwohnheim.
    Die Leute in der Gegend nannten es nur »Rote Laterne« oder »Tripperburg«. Ich konnte mit den Namen nichts anfangen, es graute mir aber schon sehr davor.
    Mir wurde klar, daß die Bindung an mein Heim mit dem Ende von Kindheit und Schule jetzt endgültig zerriß. Ich konnte mir nicht vorstellen, nie mehr dort zu leben. Vierzehn Jahre hatte ich da geweint, gelacht und mindestens zwanzig Erzieher erlebt. Das, was ich jetzt war, das war das Resultat pädagogischer Versuche mehrerer Erzieher. Ich war unsicher im Umgang mit fremden Menschen, was ich hinter lockeren Sprüchen versteckte. Ich lernte statt Ehrlichkeit das Lügen und daß man niemals seine wahren Gefühle zeigen durfte.
    Die Gruselgeschichten über das neue Heim häuften sich. In der ersten Etage wohnten die Mädchen, die keinen Beruf lernten, sondern gleich arbeiten gingen. Sie waren von zu Hause weggelaufen, hatten sich herumgetrieben oder kamen aus dem Jugendwerkhof. Diese sollten besonders gemein sein, sie unterdrückten die anderen oder klauten. Später stellte sich bis auf das Klauen alles als Gerücht heraus.
    Lehrlinge wohnten in der zweiten Etage, und in der dritten Etage lebten Studentinnen oder schwangere Mädchen.
    Bei der Visite fing ich zu lügen an, wie schlecht es mir noch ginge, weil ich Angst vor der Entlassung hatte. Aber nach drei Wochen sah die Ärztin keinen Grund mehr, meinen Aufenthalt zu verlängern, und entließ mich mit den Worten:
    »Vorsicht mit unbekannten Medikamenten und vorerst keine Sonne! Du bist allergisch.«
    Nach der Abmeldung im Krankenhaus stand ich allein auf der Straße. Niemand holte mich ab. Ich fragte einen alten Mann, wie ich zum S-Bahnhof Friedrichstraße käme. Ich hatte den Eindruck, er hätte mir lieber den Weg zu seiner Wohnung erklärt. Ekliger Typ!
Auszug aus dem Heim
    Im Kinderheim meldete ich mich bei der Hausleiterin, sie sagte:
    »Pack deine Sachen, morgen fährst du nach Treptow!«
    Mühsam hielt ich meine Tränen zurück und ging in mein Zimmer. Es war kein Mädchen da, mit dem ich die letzten Stunden hätte verbringen können. Bis zum Abend saß ich auf meinem Bett und schaute aus dem Fenster. Bald, in wenigen Stunden, würde ich das alles hier nicht mehr sehen, meine Kindheit war zu Ende. Ab morgen mußte ich mich draußen allein zurechtfinden. Ich war so traurig wie noch nie in meinem Leben und weinte fürchterlich.
    Abends gegen sieben dachte ich an die Kinder, die jetzt lachend und schwatzend beim Abendbrot saßen. Nie hatte ich geglaubt, daß ich einmal so viel Traurigkeit darüber empfinden würde, nicht mehr dazuzugehören. Ich mochte nicht zum Essen gehen. Als ich um acht in den Fernsehraum kam, sagte eine neue Erzieherin zu

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