Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Apfel, meist auch vor Hunger. Nach wie vor machte ich mir keine Stullen, zu sehr ekelte ich mich vor dem Wurstteller.
    Unser Klassenraum hätte ein Kino sein können. Die Bänke bestanden aus schräg nach oben verlaufenden Reihen mit Klappsitzen. Ich setzte mich in die erste Reihe, ganz rechts an die Wand. Wenn ich zur Tafel gerufen wurde, mußten alle in der Reihe aufstehen, das störte den Unterricht sehr. Aber meine Platzwahl hatte einen Grund. In der Heimschule hatten sich die Jungs mit dem Älterwerden etwas Gemeines angewöhnt. Jedesmal, wenn es zur Pause klingelte, sprangen sie zur Tür und hielten sie zu - natürlich nur, wenn der Klassenlehrer schon den Raum verlassen hatte -, dann griffen sie sich ein Mädchen, drängten es in eine Ecke und begrapschten es an der Brust. Zum Glück saß ich an der Tür und war meistens mit dem Lehrer draußen. Da ich meine Mitschüler noch nicht kannte, war ich vorsichtig. Das zweite Mädchen, das den Raum betrat, setzte sich sofort zu mir. Zum Stundenbeginn zählte ich fünfundzwanzig Jungs und fünf Mädchen. Wir saßen wie die Hühner auf einer Stange, alle in der ersten Reihe. Von oben regnete es plötzlich Pflaumen, ich sagte zu Marie:
    »Wenn mich eine Pflaume trifft, geh' ich nach oben und knall dem Typen eine.«
    Die Tür öffnete sich, und der Direktor erschien mit unserem neuen Klassenlehrer. Wenn die Pädagogen die Klasse betraten, mußten wir uns von den Plätzen erheben und stehen bleiben, bis der Lehrer sagte: »Setzen!« Das kannte ich schon aus dem Heim. Als das Kommando »Setzen!« erfolgte, flog mir eine Pflaume an den Kopf. Der Direktor wollte uns gerade mit einer Rede begrüßen, da stand ich auf. Nun folgten alle Mädchen. Ich ging durch die Reihe und stand vor der Klasse. Alle Schüler sahen mich gespannt an, es war mir peinlich, aber ich dachte: Jetzt oder nie. Leider wußte ich nicht, welcher Schüler die Pflaumen geworfen hatte. Ich stieg ein paar Stufen nach oben, da entdeckte ich einen Jungen, der ein besonders dußliges Gesicht machte. Ich holte aus und knallte ihm ein paar, erst rechts, dann links. Seine Ohren glühten sofort. In der Klasse herrschte Totenstille; ich stieg die Stufen wieder hinunter. Der Klassenlehrer fragte mich: »Sind Sie fertig?«
    Ich schaute auf den etwa l,60 m kleinen Mann und sagte: »Das sehen Sie doch.« »Dann gehen Sie auf Ihren Platz.« Seit diesem Tag ließen mich die Jungs in Ruhe, sie verhielten sich mir gegenüber kumpelhaft und boten mir teure Zigaretten an, aber ich rauchte nicht.
    Über unseren Wurzelgnom, den Klassenlehrer, lachten wir noch oft. Detlef mit seiner Länge von l,98 m machte einmal eine witzige Bemerkung über den Gnom. Da dieser ihn nicht richtig verstanden hatte, ging er einige Stufen zu Detlef nach oben, blieb vor ihm stehen und sagte in ernstem Ton:
    »Sie Würstchen Sie, stehen Sie auf!« Detlefs Kopf wirkte tatsächlich wie eine kleine Murmel, und er hatte den unschuldigen und glatten Gesichtsausdruck eines Zwölfjährigen. Zuerst rutschte er mit seinem Oberkörper nach oben, damit erreicht er im Sitzen schon fast die Größe des Lehrers. Aus unseren Reihen hörte man schon vereinzeltes Lachen. Als Detlef stand und auf den Lehrer hinunterschaute, brüllten wir vor Lachen. Mit rotem Kopf schrie der Lehrer:
    »Setzen, setzen Sie sich sofort wieder!«
    Wir konnten uns die Stunde über nicht beruhigen, der Lehrer konnte sich nicht mehr durchsetzen. Das war fast wie im Heim. Wir machten, was wir wollten, einige spielten Karten, Käsekästchen oder lasen Bücher, die nicht zum Unterricht gehörten. Einmal sagte Marie zu mir:
    »Schau mal, was der Zwerg macht.«
    Ich konnte nichts Besonderes an ihm feststellen und fragte:
    »Was denn?«
    Marie lachte mich aus.
    »Mensch, bist du doof, sieh doch mal richtig hin, der spielt Taschenbillard.«
    Weder Billard noch Taschenbillard waren mir ein Begriff.
    »Was ist denn das nun wieder?«
    »O Gott, bist du wirklich so blöd oder tust du nur so? Er fummelte sich an seinen Eiern.«
    »Wie, was macht der?« Ich sah zu ihm hin, er hatte seine Hände in den Kitteltaschen, ich konnte nichts sehen.
    »Paß mal auf, wenn er zum Lehrertisch geht«, sagte Marie, »dann schubbert er sich an der Tischkante.«
    Tatsache, als ich es sah, fing ich so laut zu lachen an, daß er mich fragte:
    »Worüber lachen Sie denn so?«
    Die Frage brachte mich noch mehr zum Lachen. Ich konnte doch nicht sagen: Weil Sie Taschenbillard spielen! Plötzlich brüllte er:
    »Raus!«
    Den

Weitere Kostenlose Bücher