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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Achtung, links um!«
    Wir drehten uns alle durcheinander. Die Übung der Wende dauerte so lange, bis jeder einzelne sie begriffen hatte. Er ließ die Jungen wegtreten und beschäftigte sich nun ausgiebig mit uns. Mir war das einfach zu blöde, und ich weigerte mich, weiter im Kreis die Pirouetten zu drehen. Darauf entließ er die vier Mädchen. Unter dem Gejohle der Jungen sollte ich seine Kommandos befolgen. Nun reichte es mir endgültig, ich ließ ihn brüllen und rannte in meine Hütte, riß mir die Klamotten vom Körper und wartete auf die Dinge, die da kommen sollten. Wütend über das Gelächter der Jungen und meine Flucht, rannte er mir natürlich hinterher. Die Mädchen schlossen die Tür ab und schrien:
    »Ursula ist nackend!«
    Mit voller Wucht warf er sich gegen die Tür und brüllte:
    »Komm sofort raus!«
    Ich dachte, er tritt sie ein, da rief ich, so laut ich konnte:
    »Wenn Sie reinkommen, zeige ich Sie im Heim wegen Belästigung an!«
    Schlagartig wurde es vor der Tür ruhig, erleichtert warfen wir uns auf unsere Betten.
    »Wer weiß, was uns hier noch erwartet, ein Zuckerschlecken wird es wohl nicht«, sagte ich.
    Am nächsten Tag mußten wir unsere Zivilsachen gegen Uniformen eintauschen, und nun kam die eigentliche Ausbildung: über den feuchten Waldboden robben, Holzkeulen als Handgranaten durch die Luft schleudern und Schießübungen. Wenn ich auf der Erde kroch, mir der modrige Dunst des verfaulten Laubes in die Nase stieg und mir dazu kleine Würmer und andere Tierchen über die Arme liefen, packte mich nicht nur Ekel, sondern auch maßlose Wut über diese für mich sinnlose Ausbildung. Da redeten sie alle von »Nie wieder Krieg«, und wir säuberten hier den Waldboden mit unserem Körper.
    Nach so einer Übung waren wir meist fix und fertig. In Reih und Glied marschierten wir einmal durch ein Dorf. Keine Menschenseele war zu sehen, als ob sich die Bauern vor uns versteckten. Niemand von uns wußte, wo wir hier überhaupt waren. Nachdem wir das Dorf durchquert hatten, führte uns der Ausbilder zu einem schmalen Waldweg, der über eine kleine Holzbrücke führte. Darunter plätscherte glasklares Wasser. Für einen kurzen Augenblick sah ich kleine Fische schwimmen und hätte diesen Ort, wären wir nicht marschiert, richtig romantisch gefunden. Erstaunt blickten wir auf eine Art Waldschlößchen, vor dem der Weg endete. Mit dem Ausbilder vornweg, trampelten wir mit unseren schmutzigen Schuhen und Sachen über einen roten Teppich in das kleine Familienhotel. An der Tür stand plötzlich die Dame des Hauses, eine kleine, rundliche Frau, auf ihrem Gesicht spiegelte sich das Entsetzen über unseren Anblick wider. Überall hinterließen wir Spuren des Waldes, sie traute sich jedoch nicht uns rauszuwerfen. Der Ausbilder bestellte Getränke, und die ohnehin schon leisen Hotelgäste sprachen gar nicht mehr, sondern sahen uns nur schweigend an.
    Die Jungs erzählten sich laut dreckige Witze und grölten vor Lachen, es dauerte nicht lange, da kippten schon die ersten Gläser auf die weißen Tischdecken, und sie tranken keine Brause mehr, sondern Bier. Mir kam das alles wie ein Schauspiel vor, die ernsten Gesichter der Erwachsenen und wir Jugendlichen in Uniform, niemand wagte, uns zur Ordnung zu rufen. Mühsam rang sich die Hotelbesitzerin ein Lächeln ab, als wir endlich gingen.
    Todmüde fiel ich am Abend in mein Bett. Plötzlich, mitten in der Nacht, Alarm. Schlaftrunken suchten wir unsere Sachen, da schrie auch schon draußen einer: »Schneller, schneller, hier wird nicht gepennt!«
    An der Stimme erkannte ich den Lagerleiter.
    »Ist der besoffen?« fragte ich die Mädchen, »der muß doch wohl spinnen, uns nachts herauszuholen.«
    Und wirklich ließ er uns alle antreten, und dann mußten wir durch den dunklen Wald marschieren. Dazu folgte das Kommando:
    »Ein Lied! Zwo, drei, vier Ofenrohr!«
    Zitternd vor Kälte, es war schon Ende Oktober, wollten wir es schnell hinter uns bringen und sangen:
    »Ofenrohr, Ofenrohr das war ein schöner Lied, das war ein feiner Lied, das Lied hat schön geklingt, drum wird's noch mal gesingt.
    Ofenrohr, Ofenrohr«, usw.
    Ich weiß nicht, wie oft wir dieses idiotische Lied gesungen haben, irgendwann hört man auf zu denken. Die Füße liefen automatisch, und als wir endlich abtreten durften, graute der Morgen. Ich konnte es nicht begreifen, was diese Ausbildung für einen Zweck erfüllen sollte.
    Wie war ich froh, als die Woche des Waldes, der Sauferei und der

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