Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
brüllte ihn an:
    »Aha, mit uns könnt ihr's ja machen! Wer im Heim lebt, ist verdorben und selbst daran schuld! Auf so einen Arsch wie dich kann ich verzichten!«
    Ich zog mich an und rannte davon.
    Verheult, aber entjungfert stand ich im Regen und wartete auf den Bus. Beim Einsteigen fühlte ich alle Blicke auf mich gerichtet und bildete mir ein, alle Leute sähen mir an, was ich getan hatte.
    Ich hab' es hinter nur, dachte ich, und weiß, wie es geht.
    Auf alle Fälle macht es keinen Spaß, was die Mädchen in der Schule auch immer erzählen. Und ich werde es nie wieder tun.
    Erika weckte mich nicht. Als sie vom Ausgang kam und mein gequältes Gesicht im Schlaf sah, wußte sie, was los war. Nach meinem Bericht wollte sie als Jungfrau sterben.
Tanzabend
    Mit allen Mädchen aus dem Jugendwohnheim fuhren wir in den Sommerurlaub. Am Stadtrand von Schwerin, in der Nähe eines kleinen Sees, sollte eine Landschule unser Reiseziel sein. Die Zuckelei mit der Reichsbahn machte trotz der wenigen Sitzplätze Spaß. Muttis mit nervenden Kleinkindern waren über unsere Anwesenheit froh. Die Kinder hielten erstaunt ihre plärrenden Münder und beobachteten uns bei den Albernheiten, die wir miteinander trieben. Die Erzieher mahnten uns vergeblich zur Ruhe.
    Wie haßte ich die Gaffer. Wo wir in Massen auftraten, wurden wir wie Weltwunder angestarrt. Auch hier am Bahnhof in Schwerin wurden wir taxiert. Eine Mädchenhorde mit langen Haaren, Koffern und Miniröcken konnte nichts Gutes bringen. Die Angestellten der Geschäfte traten auf die Straße und verfolgten uns mit ihren Blicken.
    Die Schule, ein altes Haus, stand malerisch auf einem grasbewachsenen Hügel. Von hier oben hatte man einen schönen Blick zum See, der über Weidekoppeln mit Kühen in wenigen Minuten zu erreichen war.
    Die Klassenzimmer waren mit Luftmatratzen ausgelegt. Ich suchte mir mit Erika eine Ecke, wir stellten unsere Sachen ab und machten einen Erkundungsspaziergang um den See. Er bot viele kleine romantische Stellen, wo man ungestört vor den anderen Ruhe finden konnte.
    Schöne Tage begannen. Die Sonne schien immer. Gleich nach dem Frühstück, das besser als im Heim war, liefen wir zu unserer Brombeerhecke, die wir für uns entdeckt hatten. Die Hecke war so dicht, daß wir nicht gesehen werden konnten. Durch einen versteckten Durchgang fanden wir einen schönen, völlig eingeschlossenen Fleck Rasen. Wenn wir Lust hatten, badeten wir oder lagen faul in der Sonne, hörten Radio, lasen und redeten über uns.
    Die meisten Mädchen lagen am Strand, wo sich auch schon die einheimischen Jungs mit ihren Motorrädern einfanden. Bald sahen wir nur noch Pärchen, fast jedes Mädchen von uns schien verliebt.
    Noch nie hatte ich mich so frei gefühlt wie hier. Den ganzen Tag verbrachten wir draußen am See. Es gab natürlich auch Pflichtveranstaltungen wie Dampferfahrt, Stadtbesichtigung und Kinobesuch, aber zum Glück keine KZ-Besichtigung.
    Dann schlug die Nachricht von einer Einladung in die Kaserne wie eine Bombe ein. Wieder einmal erfuhr die hier in der Nähe stehende Kaserne »rein zufällig« von unserem Aufenthalt. Unsere Heimleiterin mahnte uns eindringlich, am Abend vollzählig zu erscheinen. Widerstand zwecklos!
    Lustlos schminkten wir uns, einige Mädchen heulten, weil sie schon für den Abend Verabredungen mit ihren Jungs hatten.
    Mein Gott, was sind wir eigentlich? dachte ich wütend, Leihpuppen?
    Vor der Schule standen die Sommerlieben und buhten uns aus. Aufgetakelt stolzierten wir wie zum Schlachtfest an den Jungs vorbei. Mir war das sehr peinlich, ich schämte mich, wagte keinen anzusehen und schaute nur nach unten auf die Straße. Ich kam mir wie eine Nutte vor. Verkauft für eine Nacht zur Unterhaltung der Soldaten.
    Wir wurden nicht nach unserer Meinung zu dieser Einladung gefragt, wir hatten nichts zu melden. Aber wir sollten dankbar dafür sein. Was machte der Staat nicht alles für uns arme Heimkinder möglich! Dagegen war doch so ein kleiner Tanzabend zur Aufmunterung der Friedenswächter gar nichts. So etwas dachten und redeten die Pädagogen, und wir folgten gehorsam.
    Der Saal in der Kaserne machte einen festlichen Eindruck. Auf den blendendweißen Tischdecken lagen Blumen, und vor jedem Platz stand eine Tischkarte, jeweils mit einem Mädchennamen und dem eines Soldaten. Allein die Tischkarten sagten mir, daß der Abend nicht einer spontanen Einladung entsprungen sein konnte, sondern schon viel länger vorher abgesprochen worden

Weitere Kostenlose Bücher