Weinland & Stahl
die Möglichkeit zum Trinken praktisch zum Greifen nahe war, wurde ihr der Durst erst wirklich bewusst.
Doch ihn zu stillen war etwas, um das sie sich später kümmern konnte. Jetzt galt es erst einmal, das Leben zu verteidigen.
Die Vampirin sprang wie von einer Feder geschnellt auf sie zu. Die Finger wie Klauen gespreizt, die Nägel zu Krallen gewachsen, visierte sie Heavens Kehle an.
Heaven selbst merkte, wie angeborene Instinkte die Kontrolle über ihren Körper an sich rissen, und ergab sich ihnen. Sie reagierte nur noch nach dem Willen des Animalischen, das in ihr steckte und einmal mehr erwacht war.
Mit einem kleinen Rest menschlichen Verstehens registrierte Heaven die Veränderung ihres Körpers, ihrer Züge, die jetzt jenen der Rothaarigen ähneln mussten. Alles Schöne und Reizvolle ertrank in Bestialischem. Brutale Gewalt, die sich im Kampf explosionsartig entlud, ließ den Wagon zusätzlich zu den Fahrerschütterungen erbeben.
Heaven fühlte sich von der monströsen Kraft ihrer Gegnerin regelrecht herumgeworfen, doch sie konterte mit gleicher Münze. Ihre Klauen rissen die teure Kleidung der Vampirin vollends in Fetzen und fuhren in ihr kaltes Fleisch, fügten ihr tiefe Wunden zu.
Schwarzes Blut spritzte gegen das Interieur des U-Bahn-Abteils und gegen die Scheiben, hinter denen die Tunnelwände vorüberwischten.
Feuer brannte in Heavens Gesicht, als die Krallen der anderen ihre Wange aufschlitzten. Doch der Schmerz fachte die wütende Kraft in ihr nur noch stärker an. Heaven bekam die Vampirin zu packen und stieß sie mit aller Gewalt von sich, bis ans Ende des Abteils. Dort prallte sie krachend gegen die Trennwand zum nächsten Waggon, rutschte daran entlang zu Boden und sammelte Kräfte, um sich wieder zu erheben.
Doch diese Zeit ließ Heaven ihr nicht.
Ehe sich die Vampirin auch nur halbwegs aufrappeln konnte, war Heaven über ihr, drückte sie erneut nieder. Und bevor die Rothaarige auch nur irgendetwas tun konnte, spürte sie zum ersten Mal in ihrem langen Leben jenen Schmerz, den für gewöhnlich sie ihren Opfern bereitete.
Heavens Zähne stießen in den Hals der Vampirin. Doch sie hatte kaum zweimal geschluckt, da bäumte sich ihre Gegnerin auf, schüttelte sie ab, um erneut anzugreifen.
Heaven ließ die andere ins Leere taumeln, setzte nach – und nutzte die Gunst der Sekunde!
Sie griff in das rote Haar und stieß die Vampirin mit dem Nacken quer gegen die senkrechte Haltestange, gegen die sie geprallt war.
Das Metall verbog sich unter der Wucht um eine Winzigkeit. Knackend brach das Genick der Vampirin. Mit haltlos pendelndem Kopf stürzte sie zu Boden, und schon beim Aufprall wölkte feiner Staub hoch.
Während Heaven spürte, wie sich ihre Kraft wieder in jene dunklen Winkel ihres Körpers zurückzog, säuberte sie ihre Lippen und beobachtete den Zerfall der Rothaarigen, bis nur noch graue Flocken übrig waren. Mit dem Fuß stieß sie in das längliche Häufchen und verteilte die Asche großflächig. Die zerrissene Kleidung trat sie unter die nächste Bank.
»Mein Gott, was war das?«
Reuven Lamarr starrte seine neugewonnene Freundin aus ungläubig geweiteten Augen an, so dass Heaven fast fürchtete, sie müssten ihm jeden Moment einfach aus den Höhlen kullern. Der junge Mann im Anzug saß noch so auf der Bank, wie sie die Vampirin von seinem Hals gepflückt hatte. Nur seine Gesichtsfarbe hatte sich verändert und erinnerte stark an frischgefallenen Schnee.
Mit einer beruhigenden Geste an Reuven wandte Heaven sich dem anderen zu. Sie fasste ihn am Kinn, drehte sein Gesicht so, dass ihre Blicke sich trafen, und als sie ihn wieder verließ, war der stumpfe Glanz aus seinen Augen verschwunden, und sein Gesicht füllte sich fast zusehends mit halbwegs natürlicher Färbung.
Stumm nahm sie Reuven am Arm und zog ihn mit sich ans andere Ende des Wagons.
»Mann, das war – cool!«
Reuven strahlte sie an, doch hinter diesem Ausdruck entdeckte Heaven das, was sich mit der oberflächlichen Begeisterung nur tarnte. Ein Entsetzen, das groß genug war, um Reuven zu verschlingen, wenn es diese dünne Schutzschicht auch nur halbwegs durchbrach.
»Du hast wunderschöne Augen«, meinte Reuven eine kleine Weile später. Und tief in sich suchte er vergebens nach dem, was er gerade noch 'cool' gefunden hatte.
»Hier müssen wir raus«, sagte er dann, als die Subway stoppte. Er schien richtig erleichtert, dass die langweilige Fahrt zu Ende war.
»Ich verstehe das nicht«, grummelte
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