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Weinland & Stahl

Weinland & Stahl

Titel: Weinland & Stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bad Blood 01 - Das Blut der Nacht
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es geschah nicht.
    Und so war er gezwungen, Schritt um Schritt weiterzugehen durch die leeren Tunnel, die ihm mehr denn je wie das Gedärm New Yorks vorkamen. Riesige Gänge, durch die vor vielen Jahren die Subway gefahren war, bevor man ihr neue Wege gebaut hatte, und in manchen davon, in leichter zugänglichen, hatten seither Obdachlose Unterschlupf gefunden. Ausgestoßene der Gesellschaft, die oft genug denen zum Mahl dienten, die noch tiefer in jenem vergessenen Reich unter der Millionenmetropole ihre Heimstatt gefunden hatten.
    Dorthin zog es Zaccharias mit peinigender Macht.
    Zu seinen Brüdern und Schwestern.
    Und zu jenem, der als einziger ausgenommen schien von der verzehrenden Agonie.
    Zebulon, ihr Oberhaupt.
    Der ihnen all das angetan hatte?
    Der
seine
Sippe dem Untergang geweiht hatte?
     
     
    Der 'Priester' saß noch so da, wie Aaron Nomad ihn zurückgelassen hatte. Ein wenig steif, als wüsste er nicht, wie man sich bequem hinsetzt, die schlanken Hände auf den Knien, unter denen das schmutzige Gewand endete, das unzweifelhaft nicht für ihn gemacht war.
    Sein Blick wanderte im Raum umher. Auf jedem Gegenstand verweilte er ein wenig, und Nomad konnte sehen und spüren, wie es hinter der bleichen, glatten Stirn des 'Priesters' arbeitete. Wie er vorhandenes Wissen mit dem verknüpfte, was er sah, damit es Sinn gab.
    Nomad schritt über den weichen Teppich auf ihn zu, vorüber an schwerbeladenen Bücherregalen und kunstvoll gerahmten Gemälden, durchquerte den glimmernden, scharf abgezirkelten Lichtkreis, den der monströse Lüster von der Decke her schuf, und ließ sich schließlich auf einer Chaiselongue seinem Besucher gegenüber nieder.
    Der Captain griff nach dem Kristallglas, das noch zwischen ihnen auf dem kleinen Tisch stand, und nippte von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit darin. Lange Minuten maß er den anderen, der sich noch immer mit fast wissenschaftlich anmutendem Interesse im Raum umsah, nur mit Blicken.
    »So bist du also ein Vampir«, sagte Nomad schließlich. »Aber du scheinst mir so viel anders als deine... Brüder und Schwestern.«
    »Sie sind nicht meine Brüder und Schwestern«, erwiderte der andere.
    »Nein?«
    Der 'Priester' schüttelte den Kopf.
    »Sie gehören zu einem sterbenden Volk. Ich bin der erste einer neuen Rasse. Ihr Gründer.«
    »Woher kommst du?«, fragte Aaron Nomad und trank einen weiteren Schluck. »Es tut mir leid, dir nichts anbieten zu können. Aber auf Gäste wie dich bin ich leider nicht eingerichtet.«
    Er wies mit dem Glas entschuldigend auf die reichbestückte Bar im Hintergrund der Kabine, die in ihrer noblen Ausstattung jeden zufälligen Besucher überraschen musste.
    »Ich habe mich schon bedient«, erwiderte der Vampir. Beiläufig fuhr seine Zungenspitze über die farblosen Lippen.
    »Witz hast du also auch«, bemerkte der Captain mit einem knappen Lächeln, das sich allein auf seinen Mund beschränkte.
    »Ich wurde geboren...«, antwortete der Bleiche schließlich und schwieg einen Moment, suchte nach weiteren Worten, die ihm noch nicht in erforderlichem Maß zur Verfügung standen. »Ich wurde geweckt mit Blut. Doch etwas anderes kam hinzu. Etwas, das meinen Blick noch immer trübt...«
    »Dann bist du dir also nicht sicher, was der Sinn deiner Existenz ist?«, half Nomad aus.
    Der andere sah ihn bestimmt an.
    »Doch, das bin ich. Meine Aufgabe ist es zu leben und eine neue Rasse zu begründen. Eine bessere, lebenstüchtigere, als es die Alte war.«
    »War?«
    »Sie ist...«, setzte der Vampir an.
    »Was ist sie? Ausgestorben?«
    »Nein. Sie ist bedroht vom Untergang.«
    »Warum?«, wollte Nomad wissen. »Wer oder was könnte die Herren bedrohen, die seit Anbeginn der Zeit aus dem Geheimen über die Welt herrschen?«
    »Sie vermögen sich nicht mehr fortzupflanzen«, antwortete der Bleichhäutige. »Doch da ist noch etwas anderes...«
    Er verstummte und lauschte sichtlich in sich hinein, suchte in vorhandenem Wissen, ordnete es, um eine Antwort daraus zu formen.
    »Was mich geweckt hat, stellt zugleich die Gefahr dar«, sagte er dann.
    »Es fällt mir schwer, das zu verstehen«, bekannte der Captain. »Aber bist du denn resistent gegen diese Gefahr? Und vermagst
du
dich fortzupflanzen?«
    »Mit meiner Geburt wurde der Einsatz des Kelches hinfällig«, erklärte der Vampir, und hinter seinen unbewegten Zügen erkannte Nomad, dass er selbst nicht wirklich wusste, wie alles zusammenhing. Weil es für das, was er tun sollte, nicht wichtig war?

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