Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
Vom Netzwerk:
und sich in kompakten Blöcken bis in
die Raummitte vorschob. In Martineau Park, überlegte ich, würde Anfang November
das Autumn Carnival Hindernismeeting stattfinden, und entsprechend deckten sie
sich ein. Beim Cheltenham Festival im März, so hatte mir ein Weinhändler
erzählt, hatte das hindernisbegeisterte Rennsportpublikum in drei Tagen außer
Seen von Bier sechstausend Flaschen Sekt nebst neuntausend Flaschen Wein und
viertausend Flaschen Schnaps vertilgt. Dem Anschein nach wurde in Martineau
zumindest das Doppelte davon erwartet.
    Der Gin wanderte in das innere Lagerhaus, um einen
Riesenstapel zu bereichern, der dort schon aufragte, und wieder zog ich
hinterher. Ein dicker Mann mit einem Klemmbrett hakte Liefermengen ab, und ein
anderer mit einem schwarzen Filzstift brachte auf jedem Karton, der abgeladen
wurde, ein Zeichen an.
    Niemand schenkte mir Beachtung. Ich stand da, als
wäre ich ihnen allen unsichtbar, und allmählich dämmerte mir, daß jede Partei
dachte, ich würde zu der anderen gehören. Die beiden mit dem Gabelstapler
setzten die Palette ab, die sie hereingebracht hatten, nahmen eine leere auf
und rollten wieder zur Tür hin. Der Mann mit dem Stift wuchtete die Kartons an
ihren neuen Platz, brachte auf jedem sein Zeichen an, und der Mann mit dem
Klemmbrett sah zu und zählte.
    Ich fand, ich sollte warten, bis sie fertig waren,
ehe ich unterbrach, und rückblickend erscheint es möglich, daß dieses kurze
Zögern mir das Leben gerettet hat.
    Das Telefon klingelte schrill in dem abgeteilten
Büro.
    »Gehen Sie mal dran, Mervyn«, sagte der Mann mit
dem Klemmbrett, und der Gehilfe mit dem Filzschreiber ging los, um zu
gehorchen. Dann zog der Klemmbrettler die Stirn in Falten, als ob ihm etwas
einfiele, sah schnell auf seine Uhr und rief: »Mervyn, ich geh dran. Räumen Sie
inzwischen diese Bierkästen weg, wie’s der Chef befohlen hat. Sie kommen in
Lager D. Warten Sie draußen, bis ich Sie wieder reinrufe. Und die Leute da
sollen die nächste Ladung erst reinbringen, wenn ich mit Telefonieren fertig
bin, klar?« Sein Blick huschte über mich hinweg, streifte kaum mein Gesicht.
»Natürlich Ihre Sache«, sagte er.
    »Sagen Sie es ihnen.«
    Er stapfte rasch in Richtung Büro davon und ließ
mich plattfüßig in seinem Kielwasser stehen, und kurz darauf hörte ich seine
Stimme am Telefon antworten und sah einen Teil seiner Rückenansicht durch das
Glas.
    »Ja, am Apparat. Ja, ja. Reden Sie.«
    Ehe ich noch bewußt entschieden hatte, ob ich
lauschen oder mich zurückziehen sollte, ertönte laut eine andere Stimme vom
Gang her, begleitet von festen herannahenden Schritten.
    »Vernon? Bist du da?«
    Er kam geradewegs durch die Tür und schwenkte
sofort links auf das Büro zu; und für meine erschreckten Augen war er
unverwechselbar.
    Paul Young.
    »Vernon!«
    »Ja doch, ich komme gleich …« Vernon mit dem
Klemmbrett hielt die Handfläche über den Hörer, wandte sich langsam dem
Neuankömmling zu, und als gerade beide nicht in meine Richtung schauten, trat
ich rückwärts aus ihrem Blickfeld.
    Paul Young.
    Mein Verstand schien blockiert; mein Körper aus
Blei.
    Um an die Außenwelt zu gelangen, müßte ich an dem abgeteilten
Büro vorbei, und bei all dem Glas ringsum würde Paul Young mich gewiß sehen.
Zwar mochte er an jenem Montagmorgen im Silver Moondance Saloon nicht
besonders auf mich geachtet haben, doch seitdem hatte er bestimmt eine Menge
über mich nachgedacht. Der Stellvertreter konnte ihm gesagt haben, wer ich war.
Er hatte die Einbrecher mit seiner Liste in meinen Laden geschickt. Er mußte
wissen, was aus diesem Ausfall geworden war. Er mußte auch wissen, daß er sein
Hauptziel verfehlt hatte. Ich glaubte, daß er mich erkennen würde, wenn er mich
jetzt sah, und diese Vorstellung erfüllte mich mit betäubender, gliederlähmender
Furcht.
    Weder Vernon noch Paul Young unternahmen gerade in
dem Moment etwas, aber zweifellos getrieben von dem atavistischen
Fluchtinstinkt der Eingeschlossenen und Gejagten suchte ich in diesem hell
erleuchteten Lagerhaus nach einem dunklen Versteck.
    Es gab keine einladenden Schlupfwinkel, nur massive
Blöcke und Stapel von Getränkekisten. Zwischen manchen Blöcken waren schmale
Lücken, in die ich mich zwängen konnte … und falls irgend jemand im
Vorbeigehen einen Blick hineinwarf, würde er mich ohne weiteres sehen. Runter
ans andere Ende, dachte ich in zunehmender Panik. Bis dahin gingen sie
vielleicht nicht.
    Aber ich mußte erst einmal

Weitere Kostenlose Bücher