Weinprobe
mußte.
Sie waren einige Minuten lang am anderen Ende, ihre
Stimmen blieben gedämpft. Als sie wiederkamen, hatte sich die Lage zwischen
ihnen nicht gebessert.
»Du hattest den ganzen Silver-Moondance-Scotch hier«,
sagte Paul Young wütend. »Ich habe ihn selbst hergebracht. Was hast du damit
gemacht?«
Schweigen von Vernon.
»Ich habe jeden dieser Kartons mit einem roten
Kreis markiert, als Zarac und ich sie verladen haben. Das ist dir wohl nicht
aufgefallen, was? Ich hab’ dir nicht getraut, Vernon. Es war verflucht richtig,
dir nicht zu trauen. Du hast mir genutzt, das bestreite ich gar nicht. Aber du
bist nicht der einzige Lagerverwalter, der mit ein bißchen Papier jonglieren
kann. Du bist geldgeil und daher nicht sicher. Das Spiel ist aus, Vernon. Dir
fehlen insgesamt achtundzwanzig Kartons nach meiner Rechnung, und ich lasse
mich von niemand bestehlen. Du hattest einen gerechten Anteil. Sehr gerecht.
Aber jetzt langt es. Wir sind fertig. Ich hole morgen mit einem der Lieferwagen
den Rest meiner Vorräte ab, und du wirst mit den Schlüsseln für das Lager hier
sein, damit das klargeht.«
Mit abwehrendem Zorn und ohne jede Vorsicht brauste
Vernon auf: »Wenn Sie mich abservieren, werde ich dafür sorgen, daß es Ihnen
leid tut.«
Eine kurze, geladene Stille folgte, dann sagte Paul
Young mit tödlichem Ernst: »Der letzte, der mir auf diese Art gedroht hat, war
Zarac.«
Vernon gab keine Antwort. Ich fühlte, wie sich
meine Haare sträubten, wie mein Atem stockte, wie es mich kalt überlief.
Ich hatte zuviel gehört.
War ich vorher gefährdet gewesen, so war ich es
jetzt doppelt. Und es war nicht bloß die Gefahr des Todes, die mich
erschreckte, sondern die Art und Weise … der Alptraum von einem weißen,
weichen Verband über Nase und Mund, der zu Stein wurde, den Atem abdrückte …
für den ich reif war, wenn Paul Young wüßte, was ich gehört hatte. Jedenfalls
schien es mir so, während ich angstvoll dalag und bemüht war zu verhindern, daß
ein Zucken oder Zittern durch den wackligen Stapel der Kartons drang.
Vernon mußte wissen, was aus Zarac geworden war. Er
gab keinerlei Antwort, noch hielt Paul Young es für notwendig, weiter
auszuführen, was er meinte. Ich hörte seine starken knirschenden Schritte, die
sich zur Tür des Büros hin entfernten, und nach ihnen, zögernd, schlurfend, die
Tapse von Vernon.
Ich hörte Vernon, wie er mit lauter, ärgerlicher
Stimme sagte: »Was machen Sie denn? Sie sollten doch den Schub erst
reinbringen, wenn ich soweit bin«, und mit der seligen Bereitschaft zum
Ungehorsam, die einem bestimmten Typ des britischen Arbeiters eignet, lenkten
die beiden Männer in braunen Overalls ihren Gabelstapler entschlossen an ihm
vorbei in die Lagerhalle.
Ich konnte sie zwar nicht sehen, hörte sie aber
deutlich. Einer von ihnen sagte: »Ob’s regnet oder schneit, um halb eins haben
wir Feierabend, und was bis dahin nicht ausgeladen ist, nehmen wir wieder mit.
Wir können nicht rumhängen und Ihre privaten Telefongespräche abwarten.«
Vernon regte sich auf. Ich hörte ihn draußen rufen:
»Mervyn, Mervyn, kommen Sie noch mal«, und als Mervyn wieder erschien, brachte
er Neuigkeiten mit, die meine prekäre Lage weit verschlechterten.
»Wußten Sie, daß Bakertons Laster da ist? Die
bringen noch fünfzig Kisten Pol Roger White Foil. «
Pol Roger White Foil war das, worauf ich
lag.
Wenn sie sich mit Pol Roger befaßten, mußte
mich jemand entdecken. Lieferboten würden nicht gerade einen Mann übersehen,
der zuoberst auf ihren Kartons lag. Sie würden beispielsweise eine Bemerkung
dazu machen … wer täte das nicht?
Vernon sagte überreizt: »Na ja, wenn sie’s gebracht
haben … Gehen Sie raus und zählen Sie, was die abladen, sie haben uns
letztes Mal zwei Kartons zuwenig geliefert … Und Sie da, mit dem Gin,
legen Sie den Stapel extra, er ist noch nicht kontrolliert …«
Paul Youngs entschlossene Stimme durchschnitt die
eiligen Befehle. »Morgen nachmittag, Vernon. Punkt zwei Uhr.«
Vernons Erwiderung wurde, soweit es mich betraf,
von den Ginkutschern übertönt, die sechs Schritt entfernt von meinen Zehen
einen Streit über Fußball entfachten. Paul Young konnte ich auch nicht mehr
hören. Ich hörte zuviel über ein fragwürdiges Foul und die Sehkraft des Schiedsrichters.
Oben auf dem Sekt zu bleiben war hoffnungslos, wenn
auch die Versuchung, mich an mein Versteck zu klammern, fast überwältigend war.
Entdeckung im Liegen, Entdeckung im Stehen …
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