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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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hinkommen, und jeden Augenblick,
jeden Augenblick … Es war zu weit. Etwas anderes … etwas Schnelles …
    Ich kletterte.
    Ich kletterte auf den höchsten und umfangreichsten
Stapel, der zufällig aus jahrgangslosem Sekt bestand. Oben legte ich mich flach
auf den Bauch, drückte mich eng an die Wand. Die Decke war vierzig Zentimeter
über mir. Die Kisten erstreckten sich auf der einen Seite über meine Füße
hinaus und auf der anderen über meinen Kopf. Ich konnte nichts als Kartons
sehen. Keinen Fußboden. Keine Leute. Mein Herz hüpfte wie ein Gummiball herum,
und am liebsten hätte ich die Augen geschlossen, getreu dem
Vogel-Strauß-Prinzip, daß mich dann keiner sehen würde.
    Beratung heißt nicht, zu nahe an Paul Young
heranzukommen. Was für ein hohler, erbärmlicher Witz.
    Wenn er mich oben auf dem Sekt entdeckte, war ich
den Krokodilen sicher. Hatte er immer Gipsbandagen in seinem Rolls?
    Warum hatte ich nicht die Beine in die Hand
genommen? Wäre ich weggelaufen, hätte er mich vielleicht nicht gekriegt. Ich
hätte einfach rennen sollen. Das wäre besser gewesen. Es waren Leute in der
Nähe … ich hätte nichts riskiert. Und jetzt war ich hier, saß zweieinhalb
Meter hoch auf einem Berg aus Flüssigkeit fest und hatte mehr Angst als je
zuvor in meinem Leben.
    Sie verließen das Büro und kamen in den Hauptlagerraum.
Ich biß die Zähne zusammen und schwitzte.
    Wenn sie nach mir suchten … wenn sie wußten,
daß ich da war … würden sie mich mit Sicherheit finden.
    »Das genügt mir nicht. Ich will selbst nachsehen.«
    Es war die harte Stimme Paul Youngs, voll
aggressiver Entschlossenheit und so nah, als hätte er mich direkt angesprochen.
Ich bemühte mich, nicht zu zittern … nicht auf den Kartons zu rascheln …
nicht zu atmen.
    »Aber ich sag’ Ihnen doch …«, sagte der Klemmbrettmann.
    »Ich pfeife darauf, was du mir sagst. Du bist ein
falscher Hund, Vernon. Du lügst, wenn du den Mund aufmachst. Ich hab’ dich
zweimal gewarnt, und ich trau’ dir nicht. Nach meiner Rechnung müßtest du noch
vierundzwanzig Kisten Scotch hier haben, und auf meiner Liste hier steht, wieviel
du unter jedem Etikett haben müßtest. Und laß dir gesagt sein, Vernon, du
zeigst sie mir hoffentlich vollzählig, denn sollte ich feststellen, daß du noch
mehr auf eigene Rechnung verkauft und die Gewinne eingesteckt hast, bist du draußen.«
    Vernon sagte finster: »Ihre Liste wird nicht auf
dem neuesten Stand sein. Ich habe eine Menge an diese Weinstube in Oxford
verkauft.«
    »Wie viele Etiketten?« fragte Paul Young scharf.
    »Zwei.«
    »Hoffentlich stimmt das. Du kannst mir die
Lieferscheine zeigen.«
    Vernon sagte kampflustig: »Sie machen den Verkauf
zu schwer, wenn Sie nicht mehr als zwei pro Lokal abgeben. Noch kein Mensch hat
gesagt, sie wären gleich. Wieviel Beschwerden hatten wir denn bisher, bitte
schön? Ihr Bruder hat jahrelang alle sechs verkauft, und nie hat einer behauptet,
sie wären nicht, was auf den Flaschenschildern steht.«
    Paul Young sagte dröhnend: »Irgend jemand muß sich
beschwert haben, wie kommt es sonst, daß dieser neugierige Weinhändler da war,
an allem geschnüffelt und es der Polizei verklickert hat? Ich riskiere nicht
mehr alle sechs auf einmal, bei niemandem. Wenn du im Geschäft bleiben willst,
Vernon, wirst du tun, was ich dir sage, merk dir das. Checken wir jetzt die
Vorräte, und hoffen wir, hoffen wir, daß du mich nicht beschwindelt
hast, Vernon.«
    »Das ist alles am anderen Ende«, sagte Vernon
mürrisch, und ihre Stimmen wurden schwächer und undeutlicher, als sie sich
durch die lange Halle entfernten.
    Am anderen Ende … und ich hätte mich dort
versteckt, wenn mir Zeit geblieben wäre. Allmächtiger Gott im Himmel …
    Ich fragte mich, ob sie meine Füße sehen würden.
Ich dachte an Flucht, wußte aber, daß meine erste Bewegung sie alarmieren
würde. Ich dachte, wenn es zum Schlimmsten kam, könnte ich mich verteidigen,
indem ich mit Sektflaschen warf. Sektflaschen sind verstärkt, weil die
Kohlensäure sie beim Zerbrechen zu Miniaturgranaten werden läßt, die als gläserne
Messerspitzen explodieren. Fliegendes Glas ist tödlich, was man leicht vergißt,
weil die Schauspieler in Fernsehthrillern gefahrlos durch Fensterscheiben krachen,
aber dieses Phantasieglas wird zum Schutz der Stuntmen aus Zucker hergestellt …
und kleine Kinder sind schon umgekommen, weil sie Sprudelflaschen fallen ließen …
und ich würde mit Sekt kämpfen, wenn es sein

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