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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Kücheneingang und schloß
mit einem Seufzer den Lieferwagen ab. Flora kam langsam aus dem Haus, um mich
zu begrüßen. Sie trug einen grauen Rock, eine grüne Wolljacke und hatte dunkle
Ränder unter erschöpften Augen.
    Ich drückte sie leicht und küßte sie auf die Wange.
Wir hatten nie auf sehr vertrautem Fuß gestanden, doch Unglücke können in
dieser Beziehung Wunder wirken.
    »Wie geht es Jack?« sagte ich.
    »Sie haben jetzt eben sein Bein gerichtet … es
genagelt offenbar. Er ist noch bewußtlos … aber heute morgen war ich bei
ihm … vorher.« Ihre Stimme bebte wie schon am Telefon. »Er war sehr
niedergeschlagen. So bedrückt. Es machte mich elend.«
    Das letzte Wort kam als ein Keuchen, da ihr Gesicht
sich in Tränen auflöste. »Oje … oje …«
    Ich legte den Arm um ihre zitternden Schultern.
»Machen Sie sich keine Gedanken«, sagte ich. »Er schafft das. Wirklich.«
    Sie nickte stumm, schniefte und kramte nach einem Taschentuch,
und nach einer Weile sagte sie schluckend: »Er lebt, und dafür müßte ich
dankbar sein, und sie sagen, daß er schon bald wieder nach Hause kann. Es ist
nur … alles … alles …«
    Ich nickte. »Einfach zuviel.«
    Sie nickte ebenfalls und trocknete sich die Augen
mit wiederkehrendem Mut, und ich fragte sie, ob nicht eins von ihren Kindern
kommen könnte, um ihr über die böse Zeit hinwegzuhelfen.
    »Sie haben alle so viel zu tun … Ich wollte
nicht, daß sie kommen. Und Jack, das wissen Sie, ist wirklich eifersüchtig auf
sie, er würde sie nicht hier haben wollen, während er weg ist, auch wenn ich
das nicht sagen sollte. Ach, wie komme ich dazu, Ihnen das alles zu erzählen,
Tony, ich weiß es selber nicht.«
    »Als ob man’s der leeren Wand erzählt«, sagte ich.
    Sie lächelte ganz schwach, ein beträchtlicher
Fortschritt.
    »Wie geht es Jimmy?« fragte ich.
    »Ich habe nicht mit ihm gesprochen. Er ist bei
Bewußtsein, sagen sie, und keine Verschlechterung. Ich weiß nicht, was wir tun
sollen, wenn er nicht schnell wieder gesund wird … er hält doch hier alles
in Gang … und ohne sie beide … fühle ich mich verloren. Ich kann
nicht anders.«
    »Kann ich denn was tun?« sagte ich.
    »O ja«, antwortete sie sofort. »Ich hatte so
gehofft … ich meine, als Sie sagten, daß Sie kommen würden … Haben
Sie Zeit?«
    »Wofür?« fragte ich.
    »Hm … Tony, mein Guter, ich weiß nicht,
wieviel ich von Ihnen verlangen kann, aber würden Sie … könnten Sie
vielleicht … den Hof mit mir abgehen?«
    »Aber natürlich«, sagte ich erstaunt. »Wenn Sie
möchten.«
    »Es handelt sich um die Stallkontrolle«, erklärte
sie hastig.
    »Jack wollte unbedingt, daß ich herumgehe. Ich soll
ihm berichten, wie alles läuft, denn wir haben einen neuen Stallmeister; er ist
erst vorige Woche gekommen. Jack sagt, er weiß nicht so genau bei ihm, trotz
seiner Referenzen, und ich mußte ihm versprechen, daß ich herumgehe. Dabei weiß
er doch wahrhaftig, daß ich von Pferden nicht genug verstehe, aber er wollte
mein Wort haben … und er war so deprimiert, als ich es ihm versprach.«
    »Überhaupt kein Problem«, sagte ich. »Wir gehen
zusammen herum und halten die Augen offen, und nachher notieren wir
Verschiedenes, das Sie an Jack weitergeben können.«
    Sie seufzte erleichtert und sah auf die Uhr. »Ich
glaube, es wird Zeit.«
    »Okay«, sagte ich, und wir gingen um das Haus herum
zu den Ställen mit ihren ungefähr sechzig Insassen.
    Jacks Hof bestand aus zwei großen, alten
viereckigen Gebäudekomplexen, größtenteils aus Holz, mit überwiegend weißem
Anstrich. Einige der vielen Türen standen weit offen, wahrend Stallburschen
Säcke und Eimer ein und aus trugen, und über manchen, die halb geschlossen
waren, schauten Pferdehäupter interessiert hervor.
    »Am besten nehmen wir zuerst den Hengsthof«, sagte
Flora, »und danach die Stuten, wie Jack das macht, meinen Sie nicht?«
    »Gern«, stimmte ich zu.
    Ich kannte mich insofern mit Pferden aus, als ich mit
ihnen aufgewachsen war, auch nach dem Tod meines Vaters noch. Meine Mutter, ein
wahrer Fan, sprach selten von etwas anderem. Sie hatte zu ihrer Zeit an
Querfeldeinrennen teilgenommen und ebensogern an der Fuchsjagd, die ihr Leben
ausfüllte, wann immer mein Vater dienstlich unterwegs war, und auch seines,
wenn er zu Hause war und nicht gerade ein Rennen bestritt. Ich hatte tagtäglich
die strahlende Freude auf ihren Gesichtern erlebt und mich ernsthaft bemüht,
sie selber zu empfinden, aber was ich

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