Weinrache
zuverlässiger Begleiter gewesen. Der Betrag, den sie von der Versicherung erwarten konnte, würde kaum für einen gleichwertigen Ersatz ausreichen. Der Polizist versuchte sie mit der Bemerkung zu trösten, dass sich wenigstens der Schaden an der Wand in Grenzen hielte. Mit einem Eimer Putz und frischer Farbe sei das Malheur aus der Welt, meinte er väterlich. Norma holte tief Luft, als das Protokoll endlich aufgenommen war und sich die Beamten verabschiedeten.
Ihre Laune besserte sich nicht angesichts der Aussicht, den Tag mit den letzten Internetrecherchen in Sachen überteuerter Haushaltswaren zu verbringen und währenddessen auf eine Reaktion von Diane zu warten. Nach deren Pfeife tanzen zu müssen, gefiel Norma ganz und gar nicht. Bevor sie den Tag anging, wollte sie sich wenigstens ein gemütliches Frühstück gönnen, beschloss sie und ging zum Bäcker an der Ecke. Der Polizeiwagen war der Bäckersfrau nicht entgangen, doch Normas abweisende Miene hielt sie von Nachfragen ab, als Norma in der Schlange nach vorn gerückt war.
Norma trug die Brötchen und ein ›Wiesbadener Tagblatt‹ nach oben. ›Mord auf der Rheingauer Weinwoche: Nach 11 Tagen noch keine heiße Spur!‹, lautete der Aufmacher. Darunter die Zeile: ›Grausames Verbrechen hält Wiesbadener Bürger weiterhin in Angst und Schrecken‹. Mit dem Kaffeebecher in der Hand überflog Norma den Text. Der Artikel begann mit einer Zusammenfassung der Ereignisse am vorletzten Tag des Weinfestes. Das Mönchskostüm wurde ausführlich beschrieben und die mutige Verfolgungsjagd der Detektivin Norma T. wohlwollend gewürdigt. Moritz Fischers Verdienste hob man hervor, vor allem seinen jüngsten Einsatz für die städtebaulich überaus wertvolle ›Villa Stella‹, die ohne Fischers Entdeckung dem Verfall preisgegeben sei. Zum Schluss folgten die Einschätzungen einiger Freunde, unter anderem des vielseitigen Gastronoms Bruno Taschenmacher, der sein ambitioniertes Restaurant ›Marcel B.‹ demnächst in der ›Villa Stella‹ eröffnen wolle.
Die Karten sind neu gemischt, überlegte Norma. Fischers Tod brachte Bruno jedenfalls keinen Nachteil. Er hatte keinen Grund, um den Verräter zu trauern. Mit den Gedanken bei Bruno ging sie hinunter ins Büro und hatte kaum den Computer in Gang gesetzt, als wie vom Teufel gerufen Bruno Taschenmacher an das Fenster klopfte, bewaffnet mit einer Brötchentüte von gegenüber.
Norma konnte sich nicht erinnern, dass er sie jemals im Büro aufgesucht hätte, und bat ihn verwundert herein. »So ein Zufall. Eben habe ich in der Zeitung von dir gelesen.«
Zum Zeitunglesen lasse ihm die Arbeit keine Gelegenheit, brummte er missmutig.
In der Tat, er sah übermüdet aus, stellte Norma fest. Mit dunklen Ringen unter den Augen, als hätte er die Nacht durchgearbeitet. »Was führt dich zu mir?«
Er habe in Biebrich zu tun, erklärte er. Ein früher Termin bei einem viel beschäftigten türkischen Geschäftsmann, der die Hochzeit seiner Tochter im ›Parkhof‹ ausrichten wolle. Auf dem Rückweg habe er sich etwas zum Frühstück geholt.
Bruno wackelte mit der Brötchentüte. »Beim Bäcker erzählt man sich, die Polizei war heute Morgen bei dir. Gibt es ein Lebenszeichen von Arthur?«
Eine harmlose Frage eigentlich, doch die Wortwahl machte Norma stutzig. Konnte er von der angeblichen Entführung wissen? Machte er mit Diane gemeinsame Sache? Einen Pakt zwischen Bruno, dem Mann der Tat, und der Kindfrau Diane konnte sie sich nur schwer vorstellen. Aber eine Liebschaft zwischen Diane und Arthur hatte sie schließlich auch für unwahrscheinlich gehalten.
»Leider nichts Neues«, erklärte Norma ausweichend.
Er fand freundliche Worte des Bedauerns. »Was wollte die Polizei, wenn es nicht um Arthur ging?«
Sie hatte wenig Lust, das Ereignis der Nacht mit Bruno zu erörtern. Andererseits verfügte er über gute Kontakte und könnte ihr vielleicht einen Ersatz für den Fiesta besorgen. Sie führte ihn in den Hof.
Er betrachtete das Wrack kopfschüttelnd. »Hast du die Werkstatt angerufen?«
»Ich fürchte, der beste Mechaniker kann hier nichts mehr retten.«
Bruno pflichtete ihr bei. »Du solltest den Wagen verschrotten lassen. Ich kenne jemanden, der holt den Blechhaufen heute noch ab. Wenn du willst, rufe ich ihn sofort an.«
Norma bedankte sich. Bruno erwies sich wider Erwarten als treuer Freund. Er bot aus freien Stücken an, ihr bei der Suche nach einem neuen Auto behilflich zu sein. Mit ihrem Misstrauen machte sie sich
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