Weinwissen für Angeber
Parker?"
Natürlich nichts! Warum sollte Sie auch die Meinung des einflussreichsten Weinkritikers der Welt scheren? Da stehen Sie drüber! Was weiß der schon? Keine Ahnung, warum die ganze Weinwelt so viel auf dessen Meinung gibt, wo Sie es doch viel besser wissen!
So abstrus es wirken mag, diese Meinung haben die meisten Weinkenner - ob insgeheim oder offiziell. Es ist schick, auf Robert Parker zu schimpfen. Also scheuen Sie sich nicht. Warum wird Parker kritisiert? Weil viele in seinen Bewertungen die Preisanstiege bei Weinen begründet sehen. Weil viele meinen, sein Geschmack - konzentrierte, extrem reife, alkoholstarke, holzbetonte Weine - hätte zu einer Vereinheitlichung der Spitzenweine weltweit geführt. Die Kritiker werfen Parker also seinen Erfolg vor und vergessen darüber, dass er ein extrem professioneller und verlässlicher Verkoster ist. Nicht ohne Fehl und Tadel, aber ohne Frage einer der besten. Das sollten Sie aber lieber nicht sagen. Kaufen Sie von Parker hoch bewertete Weine (über 90 von 100 Punkten) und beeindrucken Sie mit deren Qualität Ihre Gäste. Aber sagen Sie niemals, wer Ihnen den Tipp gegeben hat!
„Wenn ein Cabernet Sauvignon groß ist, gibt es keinen größeren Wein."
Sie können für Cabernet Sauvignon auch etliche andere Rebsorten eintragen. Merlot zum Beispiel, Riesling, Chardonnay, Shiraz - es steht Ihnen frei. Diesen Ausspruch können Sie natürlich erst tätigen, wenn der beste Wein des Abends feststeht Verallgemeinern Sie auf Teufel komm raus!
Selbstdisqualifikation
Die fünf Reiter der Apokalypse
Einige Sätze sollten Sie aus Ihrem Sprachzentrum entfernen, wenn nötig chirurgisch. Diese dürfen Ihnen nie, nie, nie, auf keinen Fall, niemals über die Lippen kommen. Haben wir uns verstanden?
„Meine Lieblingssorte? Roter!"
Gut. Das mag so sein. Rotwein ist ja auch was Tolles. Aber so offensichtlich sollten Sie Ihr Unwissen niemals machen. Lassen Sie die Deckung nicht sinken! Erstens ist Rotwein keine Sorte. Sorte bezeichnet immer eine Rebsorte, zum Beispiel die Königin der Weißweinreben, den Riesling. Sie meinen wahrscheinlich Lieblingswein. Natürlich ist Rotwein ein Lieblingswein. Aber es wäre ungefähr so, als würden Sie sagen „Meine Lieblingstierart! Wirbellose!" Mehr als 90% aller Tiere zählen zu den Wirbellosen. Sie sollten zumin-dest wissen, ob Sie Quallen, Anemonen oder Polypen bevorzugen. Genauso ist es beim Wein. Sie sollten zumindest ein Land nennen (lesen Sie dazu bitte eingehend das entsprechende Kapitel), zum Beispiel (immer gut) „Frankreich". Ebenfalls möglich „Italien". Bei „Spanien" kommt schnell der Eindruck eines Urlaubsweintrinkers auf, wenn Sie „Neue Welt" sagen, müssen Sie sich erklären. Also „Frankreich". Gut ist das aber immer noch nicht Sie sind jetzt auf der Ebene von „Quallen". Schreiten Sie mutig voran zu „Beutelquallen" (Cubomedusae). Nennen Sie also eine Region. Klassisch wählen Sie „Bordeaux" oder, wenn Sie feingeistig erscheinen wollen, „Burgund". Jetzt stehen Sie halbwegs ordentlich in der Runde da. Aber folgende Frage wird kommen: „Und welche Appellation speziell?". Bordeaux (wie auch das Burgund) untergliedert sich nämlich noch einmal. Bei anderen Regionen ist das nicht so kompliziert, aber es lohnt sich immer, den geografischen Bereich einzugrenzen. Mit anderen
Worten: Gehen Sie den letzten Schritt zu Würfelquallen. Der heißt in diesem Beispiel „Pomerol", oder „Margaux", auch gern genommen wird „Pauillac" - macht Eindruck. Aber wenn Sie keine Ahnung haben, ob es sich bei diesen Begriffen um französische Frauennamen oder um Gemüsesorten handelt, werden Sie Probleme bekommen. Es geht nämlich noch weiter! Irgendeiner in der Runde kennt sich bestimmt in dieser Appellation aus und wird nachhaken, welche Weingüter es Ihnen denn genau angetan haben. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie büffeln vorher die wichtigsten Weingüter einer bestimmten Region mit ihren geschmacklichen Charakteristika. Das ist viel Arbeit. Und eines echten Angebers unwürdig. Möglichkeit zwei: Sie nennen ein Gebiet, von dem mit großer Wahrscheinlichkeit keiner in der Runde Ahnung hat. Irgendein kleines unwichtiges in Südafrika oder Australien, „Cowra" wäre gut. Aber auch das muss man sich merken und als Angeber braucht man seinen Kopf für Wichtigeres. Wir halten es deshalb wie folgt: Wir haben keine „Lieblingssorte". Wir sind offen für die göttliche Mannigfaltigkeit der Weinwelt, wir
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