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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Sie verzog leicht die Mundwinkel.
    »Ihr kifft? Ist das nicht eigentlich eine Droge für Mama und Papa,
also sozusagen für meine methusalemische Generation?«
    Quirin sah sie spöttisch an. »Klar, ich hatte mehrfach das Vergnügen
den Weißt-du-noch-Telefonaten meiner Mutter zu lauschen. Sie kicherte dann
immer höchst albern in ihrem Bekennertum und legte Pink Floyd auf. Und dann kam
jedes Mal der Satz, dass sie im Drogenrausch immer die Heizung ganz laut gehört
hätte. Als wäre das das elementarste Erlebnis ihrer Jugend gewesen! Drogen
verstärken die Sinne, bei meiner Mutter war da wohl außer dem Gehörsinn wenig,
was verstärkt werden konnte.«
    Jo verzog die Mundwinkel. »Komm, sei nicht so ätzend. Es stimmt doch
auch, die Vergnügungen sind vor fünfundzwanzig Jahren banaler gewesen. Gönn
deiner Mutter doch das harmlose Vergnügen dieser ganzen Kifferei. Dope war zum
Entspannen da, die Musik zum sanften Entschweben. Heute hauen euch aggressive
Beats in die letzte Hirnwindung. Du, auf die Gefahr, dass ich jetzt wie deine
Großmutter klinge, die Bildschnitte der Musikvideos machen mich schwindlig.
Eure Drogen dienen dem Wachbleiben, Ecstasy, um den Schlaf zu überlisten. Das
ist doch pervers, oder?«
    »Es ist pervers«, sagte Quirin. »Wir haben alle
Herz-Rhythmus-Störungen. Unsere Herzen sind aus dem Takt. Und deshalb bin ich
auch auf die Drogen meiner Oma umgestiegen.«
    Was für ein Knabe! »Was aber als Funkenwache ziemlich blöd war!«,
sagte Jo. »Du warst ja wohl in todesähnlichem Schlaf oder in Trance. Sonst
müsstet ihr doch was gesehen oder gehört haben.«
    »Haben wir aber nicht, wir waren voll am Chillen. Unter einer Plane.
Wir haben keinen gesehen. Wir hatten von Anfang an keine Angst, dass jemand
kommen und den Funken anzünden würde. Es hatte in der Nacht zu regnen begonnen.
Kein Mensch hätte diesen Funken entfacht, keiner von den Jungs aus den
Nachbarorten wäre gekommen. Die sind in sicheren Tennen und Stadeln gesessen
und haben literweise Bier und Obstler gekippt. Ich war da bewusst ganz
unbewusst. Zumal ich gefroren hatte. Ich friere häufig. Erzählen Sie das ruhig diesem
Weinzirl. Ich hätte es ihm eh erzählt, aber nicht vor den Eltern der anderen.«
    Jo war beunruhigt. Dieser Quirin war ein seltsamer junger Mann. Er
hatte Leistungskurs Deutsch und gehörte, wie sie erfahren hatte, der
Theatergruppe an. Es ging etwas Beunruhigendes von ihm aus, wenn er sprach. Jo
musste zugeben, dass sie einen Jungen, der fünfzehn Jahre jünger war als sie –
Himmel waren es wirklich fünfzehn? –, nicht mehr verstand. Oder eben doch? Jo
überlegte: Sie war mit einundzwanzig weniger schlampig mit den Worten gewesen
als jetzt. Sie hatte Großes gewollt, und dazu gehörten große Worte.
    Jo löste sich von ihrem Unbehagen und half Sandra, die verschwitzte
Stute abzusatteln und ihr eine Abschwitzdecke überzuwerfen. Fenja legte Jo den
Kopf auf die Schulter und schloss die Augen. Das war ein Ausdruck des Vertrauen
und eine Anklage: Siehst du, wie erschöpft ich bin!
    »Sie ist eine Schauspielerin.« Sandra lachte.
    »Klar! Und eine Zicke und Diva und die meiste Zeit ein absolut
geländesicheres, verlässliches Pferd, eine echte Lebensversicherung. So, wie
wir Frauen eben sind«, grinste Jo.
    Sandra nickte, und Quirin bedachte Jo mit einem merkwürdigen Blick.
Sie alle schwiegen, als die Stute auf den Paddock hinausdonnerte, von Müdigkeit
keine Spur, wild umsprungen von ihrem Fohlen. Beide quietschten und begannen
sich simultan zu wälzen. Was für ein Pferdeleben!
    Erst als Jo zum Auto ging, spürte sie, dass es dramatisch kälter
geworden war. Bestimmt ein Temperatursturz von zwanzig Grad. Es dürfte ungefähr
fünf Grad minus sein, dachte Jo und streckte in einem plötzlichen Glücksgefühl
die Armen weit aus. Ostwind war aufgekommen, die Luft roch endlich wieder nach
Winter. Jo konnte den trockenen Schnee riechen, der sich irgendwo in Sibirien
aufgemacht hatte. Da, wo die Jakuten kleine zähe Ponys zogen, wo Rentiernomaden
lebten und wo fünfunddreißig Grad Minus bereits frühlingshaft waren. Dieser
Schnee war über die Weiten Finnlands gestoben und würde bald da sein. Schnee –
die Heilung aller Leiden!
    Als sie um halb vier in ihrem Büro ankam, war ihr plötzlich heiter
zumute. Sie schickte Patti, deren Gesichtsfarbe immer noch grünlich war, erneut
heim und hatte freie Fahrt, Gerhard anzurufen.
    »Na, so fröhlich, hast du meinen Mörder überführt?«, fragte Gerhard,
der gar nicht

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