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Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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weh? Jo versuchte ihre letzten zwei Jahre irgendwo zu erwischen, einen roten
Faden zu finden. Aber da war keiner. Zwei Jahre auf Eis, so viele Emotionen
irgendwo verschüttet. Ist das alles?, fragte sie sich. Wird es jemals klappen?
Sie sah hinaus in das milchige Licht. Was dachte sich der Mond?
    Plötzlich fiel ihr Sepp, der Bierwagenfahrer, ein. Was hatte er
gesagt? Frau Feneberg, die auch keine Kinder hatte und nun ganz allein war.
Diese Schweizerin und geborene Kawenk. Die mit der Schwester in Berlin. In
Berlin!
    Und ohne später noch sagen zu können, wieso sie das tat, nahm Jo ein
Telefonbuch und begann zu blättern. »Kawenk« hatte Sepp gesagt. Unter K war
nichts zu finden. Jo dachte an das Gespräch mit Gerhard, der von einem
rhätischen Tal gesprochen hatte, und ihr kam eine Idee: »Cavegn« war ein
typisch Bündner Name, so viele würde es in Berlin nicht geben. Es gab nur eine
Teilnehmerin namens Dr. Hermine Cavegn. Die Adresse war in der Nachbarschaft.
Jo nahm eine Jacke, rannte die Treppe hinunter und klingelte um Viertel nach
zehn an der Tür.
    Als eine weibliche Stimme über Sprechanlage zu hören war, blieb Jo
stumm. Was wollte sie eigentlich hier?
    »Hallo, ist jemand da?«
    Jo atmete tief durch.
    »Frau Cavegn, kann ich Sie und Ihre Schwester kurz stören?«
    Eine Weile war nichts zu hören, dann sagte die Stimme: »Sind Sie von
der Presse?«
    »Nein! Ich bin Johanna Kennerknecht vom Tourismusverband daheim im
Allgäu. Ich wollte eigentlich nur kondolieren.«
    Na, das war ja wohl der dümmste Einstieg des Jahrtausends, dachte
Jo. Sie schämte sich und wollte schon umdrehen, als sie den Türöffner summen
hörte. Überrascht drückte sie die Tür auf und stand im Erdgeschoss einer
schlanken, resolut blickenden Frau, die um die sechzig Jahre alt sein mochte,
gegenüber. Sie trug ihre grauen Haare kurz geschnitten und hatte ein graues
Chasuble an.
    »Ich, also, ich weiß, das ist jetzt blöd …«, stammelte Jo, und
Hermine Cavegn schob sie in die Wohnung.
    »Merkwürdige Zeit zum Kondolieren«, sagte sie mit deutlich hörbarem
Schweizer Akzent. »Meine Schwester ist in der Küche.«
    Jo fasste sich etwas.
    »Ich muss mich entschuldigen. Das war eine Schnapsidee.« Schlagartig
wurde ihr klar, dass Frau Cavegn das vielleicht wörtlich nehmen musste. Sie hatte
sicherlich eine ganz schöne Fahne, nach dem, was sie auf der Messe alles
getrunken hatte.
    Frau Cavegn lächelte.
    »Kommen Sie. Wenn Sie schon mal da sind. Meine Schwester hat sowieso
Heimweh nach dem Allgäu. Sie möchte unbedingt zurück, aber der nette Kommissar
hat ihr wegen der Presse abgeraten.«
    Sie betraten die Küche einer typischen Berliner Altbauwohnung. Die
Decke war mehr als vier Meter hoch und stukkatiert. Die beige Einbauküche war
überraschend modern, Jo hätte eigentlich eher Gelsenkirchner Barock erwartet.
An einem beige gebeizten Holztisch saß Frau Feneberg.
    Hermine lächelte die Schwester an.
    »Elvira, das ist Fräulein Kennerknecht. Aus dem Allgäu. Sie hat
gerade in Berlin zu tun«, bei diesen Worten sah sie Jo fragend an, die dankbar
nickte, »und wollte uns besuchen und dir ihr Beileid aussprechen.«
    Jo ging einen Schritt auf Elvira Feneberg zu.
    »Ja, ich hab ab und zu Bücher bei Ihnen gekauft. Am Marienplatz. Es
tut mir so Leid um Ihren Mann.«
    Elvira Feneberg schien über die ungewöhnliche Zeit und den Besuch
gar nicht überrascht zu sein. Jo erfasste mit einem Blick, dass sie unter
Beruhigungstabletten stehen musste.
    »Danke, das ist sehr nett von Ihnen. Ich erinnere mich an Sie. Sie
arbeiten im Tourismusverband.«
    Jo nickte, und bevor eine peinliche Gesprächspause eintreten konnte,
hatte Hermine Cavegn eine Teetasse vor Jo abgestellt.
    »Mit Kandis oder ohne?«, fragte sie.
    »Kandis, gern.« Jo fühlte sich extrem unwohl in ihrer Haut, und
wieder baute ihr die nette Gastgeberin eine Brücke.
    »Sie sind hier auf der ITB ,
nehme ich an? Auch nicht einfach für Sie momentan?«
    »Nein. Die Gäste stornieren ihre Aufenthalte wegen des Funkenmords
…« Jo brach mit einem verstörten Blick auf Frau Feneberg ab.
    »Reden Sie nur weiter. Es ist schlimm, was die Medien daraus gemacht
haben. Schlimm! Mein Mann Opfer eines Ritualmords! Sie werden sehen, es wird
eine ganz einfache Erklärung geben. Es muss, ich will ihn endlich beerdigen.«
    Elvira Feneberg begann leise zu weinen. Hermine reichte ihr ein
Taschentuch.
    »Das ist das Schlimmste für meine Schwester. Den eigenen Namen in
der Zeitung lesen zu

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