Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinzirl 02 - Funkensonntag

Weinzirl 02 - Funkensonntag

Titel: Weinzirl 02 - Funkensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
in die Bierenwang
Hütte zu gehen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
    Sie setzten sich zu viert an einen Eckplatz. Jo ging zur Toilette,
und als sie zurück zum Tisch kam, sah sie, wie Quirin und Heini die Köpfe
zusammensteckten. Dafür, dass die sich gerade erst kennen gelernt hatten, waren
die ja sehr freundschaftlich, dachte Jo. Auf ihrem Platz stand ein Glühwein.
    »Alkohol beim Tourengehen?« Jo drohte Heini lächelnd mit dem Finger
und versuchte, die Stimmung etwas aufzuheitern.
    »Einer geht schon«, meinte Heini und prostete ihr zu. Während sie
weitere Details für das Journalisten-Tourenwochenende besprachen, wurde noch
mehrmals angestoßen. Jo spürte, wie ihr der Glühwein zu Kopf stieg.
    »Komisch, dass ich dich hier treffe«, sagte sie zu Quirin, »aber
andererseits ist das gut so. Wieso bist du denn kürzlich so schnell abgehauen?
Ich weiß ja, ich mische mich immer in Dinge ein, die mich eigentlich nichts
angehen. Aber ich kriege dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf. Das Bild, wie der
Arm aus dem Funken ragt.«
    Quirin sagte nichts, auch die anderen zwei waren stumm. Jo fühlte
sich auf einmal sehr merkwürdig. So wie es sich anfühlt, wenn man fahrige
Bewegungen macht, um in einem dunklen Raum den Lichtschalter zu ertasten. Und
wenn man dann nichts findet, macht man eben zögernde Schritte hinein in einen
unbekannten Raum. So erging es Jo gerade und auf einmal machte ihr die
Situation Angst.
    »Jo, lass das Thema Adi Feneberg für heute mal gut sein, das
belastet uns alle zu sehr. Vor allem Steffen!«, meinte Heini und rief betont
fröhlich zum Aufbruch.
    Es schneite leicht. Weder Steffen noch Quirin sagten ein Wort. Einsilbig
zogen sie Felle auf. Jo war unwohl, als Heini ihr erklärte, wie sie die Felle
aufzukleben habe. Sie konnte sich schlecht konzentrieren. Der Glühwein hatte
ihr wirklich zugesetzt. Aber sie wollte jetzt nicht schwächeln. Steffen stapfte
los, Quirin hinterher, Jo folgte als Dritte.
    »Ich mach den Lumpensammler«, sagte Heini, und irgendwie hatte Jo
das Gefühl, seine Stimme hätte sich verändert.
    Nach etwa zehn Minuten fühlte sie Übelkeit. Eine Hitzewelle
durchlief ihren Körper. Ihr war schwindlig. Sie hatte das Gefühl, ihren Körper
zu verlassen. Sie konnte keinen Gedanken festhalten. Aber das war kein
angenehmes Loslassen. Als die erste Woge etwas abgeflaut war, drehte sie sich
zu Heini und bemühte sich angestrengt um einen lockeren Tonfall. Das Reden war aber
Höchstanstrengung.
    »Du, entschuldige, ich bin schon genauso ein Weichei wie die
Journalisten. Mir ist elend schlecht.«
    »Ach, das kommt vielleicht von der schlechten Sicht. Viele Leute
haben da Probleme mit dem Gleichgewichtssinn. Da wird einem schlecht. Geh
einfach langsam weiter.«
    Jo hatte nur wenige Schritte gemacht, als eine gewaltige Woge der
Übelkeit über sie hinwegschwappte. Sie musste sich übergeben. Direkt auf die
Ski. Sie erholte sich etwas.
    »Sollen wir umkehren?«, fragte Heini. »Aber das ist jetzt eigentlich
blöd, denn so verpasst du eine der schönsten Abfahrten im Allgäu.«
    »Nein, das wird schon gehen.« Jo fummelte in ihrem Wimmerl herum und
förderte Paspertin-Tropfen zutage. Sie hatte immer eine kleine Notfall-Apotheke
dabei. Sie nahm zwanzig Tropfen. Unter allergrößter Kraftanstrengung ging sie
bis zum Gipfel. Sie zogen die Felle ab, und Heini stopfte die Aufstiegshilfen
in seinen Rucksack. Es hatte gerade ein bisschen aufgerissen, und Jo sah den
Hang, der unter ihr lag. Er war steil, höllisch steil und endlos. Eine weiße
Flanke, die nicht zu enden schien. Eine infernalische Schneefläche. Wieder kam
eine Hitzewelle, dann begann sie zu frieren. Sie bebte im Schüttelfrost und
kotzte erneut in den pappigen Schnee. Ihre Knie zitterten so, dass sie kaum in
der Lage war stehen zu bleiben.
    »Heini, ich schaff das nie da runter. Entschuldige, dass ich euch
jetzt die Abfahrt versaue, aber wir müssen umkehren. Ich muss nach Hause ins
Bett. Ich glaub, ich bin richtig krank.«
    »Wir müssen sicher nicht umkehren. Und für Sie ist es zu spät zum
Umkehren. Es ist im Leben meist zu spät zur Umkehr.«
    Eine Windböe hatte den Grat erfasst und verwehte Quirins Worte. Jo
dachte noch, dass er schon wieder wie in einem Theaterstück sprach, als sie
einen Stoß verspürte. Sie stürzte über einen Felsen, und sich wild überkugelnd
ging die Talfahrt weiter. Die Mütze flog. Bei einem dieser Purzelbäume
zerschnitt ihr die Stahlkante die Hose, ein Stock traf ihre Skibrille

Weitere Kostenlose Bücher