Weinzirl 03 - Kuhhandel
los. Der geistig eher träge Markus war körperlich topfit. Er
trainierte den ganzen Sommer Berglauf, um im Winter für seine extremen Snowboard-Touren
gerüstet zu sein. Gerhard spürte das Blut in seinen Schläfen rasen, seine
Rippen schmerzten, ihm wurde übel, er gab auf. In Markus hatte Lichtenegger
einen würdigen Kontrahenten gefunden, beide verschwanden hinter einer
Baumgruppe. Als Evi und die anderen Polizisten Gerhard erreicht hatten, war
Markus auf dem Rückweg. Markus hatte Lichtenegger den Arm auf den Rücken
gedreht. Markus’ Miene war versteinert, und Lichtenegger – der grinste.
Gerhard ließ
Handschellen zuschnappen, etwas, was er selten tat. Lichtenegger grinste,
während sie ihn talwärts geleiteten. »Viele Jäger sind des Hasen Tod, heißt es
eigentlich. Sie aber hatten Glück, dass Ihr Kollege im Alleingang schneller ist
als Ihre ganze Meute.« Er drohte Gerhard mit dem Finger. »Sie müssen dringend
was für Ihre Kondition tun.«
Gerhard schob ihn
unwirsch in ein Polizeifahrzeug. Er und Evi fuhren hinter. Wieder fror Gerhard.
Als sie im Präsidium
angekommen waren, ließen sie Lichtenegger zuerst rund eine Stunde ihm
Vernehmungsraum zappeln und betrachteten ihn durch das Fenster. Er saß auf dem
Stuhl, die Beine breit, die Arme auf den Tisch gestützt. Nichts an seiner
Körperhaltung deutete auf Angst hin.
»Und, was ist nun an
diesem Typ dran, dass er Svenja so umgarnen konnte? Verstehst du das?« Gerhard
betrachtete Lichtenegger eingehend. Er war nur knapp eins achtzig groß, braun
gebrannt, sehnig und extrem durchtrainiert, unter seiner Radlerhose war das
Spiel von Sehnen und Muskeln zu erkennen, wenn er nur mit dem Fuß wippte – was
Gerhard in seiner Situation nachgerade provokant fand. Thomas Lichtenegger
hatte hellbraune, modisch kurz geschnittene Haare und ein – wie Gerhard fand –
nicht überragend aufregendes Gesicht. Außerdem ganz schön viele Falten für sein
Alter. Ihm wäre der Kerl nie aufgefallen.
Evi hatte den Kopf
in den Nacken gelegt und sah nach oben, als käme von da die Antwort. Dann
wandte sie sich Gerhard zu. »Ja, ich kann es mir vorstellen. Er hat einen guten
Körper, aber das ist es nicht allein. Er hat so ein herrlich kaputtes Gesicht.
Diese Falten machen ihn interessant. Er wirkt überlegen, souverän. Und dann ist
da dieser brutale Zug um seine Augen, nur dieser Tick von etwas Diabolischem.
Man sieht ihm an, dass er ein Arschloch ist, zumindest manchmal, und das ist
eben so viel erotischer als der nette Junge von nebenan.«
Gerhard war schon
versucht, aufzubegehren. Er war doch auch so ein unerotischer netter Junge von
nebenan. Wieso hatte Evi denn dann mit ihm geschlafen? Aber sie hatten jetzt
wirklich Wichtigeres zu tun. Was Evi aber meinte, wurde Gerhard schon in den
ersten Gesprächssequenzen mit Lichtenegger klar. Er war zynisch,
menschenverachtend, arrogant, Spott umspielte seine Mundwinkel, er konnte einen
mit einem solchen Eisblick fixieren, dass selbst Gerhard Probleme hatte, ihm
standzuhalten. O ja, das war ein Arschloch, aber was daran erotisch oder
anziehend sein sollte, das verstand Gerhard nun wirklich nicht.
Lichtenegger ging
ziemlich schnell in eine aggressive Angriffshaltung über und bezichtigte den
Futtermittel-Ortlieb der Urheberschaft in der ganzen Angelegenheit. Er sei der
Drahtzieher gewesen, und Lichtenegger bestätigte das Gedankenspiel von Gerhard,
Jo und Evi, dass tatsächlich keiner etwas vom anderen gewusst hatte.
»Verstehe ich Sie
richtig: Herr Ortlieb hatte den Plan mit den Mastversuchen ausgeheckt. Er hat
auch Substanzen geliefert, die in den offiziellen Praxisunterlagen nie
aufgetaucht sind. Herr Ostheimer war der trottelige Landarzt, der sich ein paar
Euro dazuverdienen wollte. Sepp Gantner hat ihn im Glauben gelassen, er würde
diese Versuche durchführen und dokumentieren. Ja?«, fragte Gerhard kühl.
»Ja, korrekt!«
»In Wirklichkeit
aber hat Sepp Gantner Medikamente abgezweigt, um ehrgeizigen Sportlern Beine zu
machen?«, folgerte Gerhard.
»Ja, korrekt!«
»Und Ortlieb hatte die
Fäden in der Hand. Er war die graue Eminenz im Hintergrund?«, vergewisserte
sich Gerhard erneut.
»Ja, korrekt!«
»Herrgott,
Lichtenegger. Haben Sie noch was anderes auf der Pfanne als ›ja, korrekt‹? Ich
will endlich wissen, was Sie da für eine Rolle gespielt haben!«
»Nun ja«, er wippte
lässig mit dem Stuhl, »ich hatte ein Auge auf Seppi. Herr Ortlieb hat mich
dafür eingesetzt.«
»Eingesetzt?«
»Sehen Sie«, da
Weitere Kostenlose Bücher