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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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fest in die Augen.
    »Ja, sind die Regeln
erst verletzt, sind die Messer schnell gewetzt«, kam es von der Tür.
    Beide fuhren herum.
Dort stand Helga Kölbl. Kreideweiß im Gesicht.
    »Helga!« Josefa
Heringer eilte ihr entgegen, als wollte sie sie stützen.
    Helga Kölbl machte
eine abwehrende Handbewegung. »Ich habe Ihnen schon geraume Zeit zugehört,
schon im Wohnzimmer, Herr Weinzirl. Gelauscht habe ich. Ich habe Ihre
Irrfahrten durch unser Haus und unsere Werkstatt beobachtet. Hier werden Sie
nichts finden.« Sie betonte das »Hier« so merkwürdig.
    »Aber wo sonst?«,
fragte Gerhard sanft.
    »Schorsch hat einen
Stadel in Altenau. Eigentlich hat er den vor mir geheim gehalten. Aber ich war
mal dort …« Sie brach ab.
    »Ja?« Gerhard
bemühte sich, nicht zu drängen.
    Plötzlich riss sie
den Kopf hoch, ihre Augen waren pures Feuer, und Gerhard realisierte, wie schön
sie einst gewesen sein musste, und wie mitreißend. Kein Wunder, dass sie eine
eigentlich unpassende Ehe durchgesetzt hatte. Welcher Vater ist schon im Stande,
sich länger dem starken Willen einer solchen Tochter zu widersetzen?
    »Ich dachte,
Schorsch betrügt mich. Ich bin ihm gefolgt. Wie eine miese Spionin. Er fuhr
nach Altenau. Erst Richtung Unternogg, dann zum Gschwenderfilz raus. Da stand
der Stadel. Das Gefühl war entsetzlich. Ich war mir so sicher, dass er sich
dort mit einer Frau trifft. Ich wollte schon umkehren, aber dann hab ich durch
das Fenster gesehen. Mein Herzschlag war so laut wie die Kirchenglocken. Da war
keine Frau. Nur Schorsch. Er hat Figuren in Kisten mit Holzwolle verpackt.
Krippenfiguren. Dann bin ich davon, wie von einer Furie gehetzt. Ich hab mich
so geschämt.«
    »Helga!«, Josefa
Heringer war auf einen Schemel gesunken, dessen Füße wie Krallen gestaltet
waren. »Kam dir das denn nicht komisch vor? Helga, du hast gewusst, dass
Schorsch Figuren manipuliert?«
    »Nein, nicht
gewusst. Geahnt vielleicht. Ich war besinnungslos, wie getrieben, als ich ihm
gefolgt bin. Dann war ich so glücklich, dass er mich nicht betrügt, dass ich
das Gesehene tagelang verdrängt habe.«
    »Aber dann! Helga!«
    »Ja, dann! Was dann?
Ich habe mich geschämt. Hätte ich erzählen sollen, dass ich meinem Mann wie
eine drittklassige Detektivin gefolgt bin? Was hab ich schon gesehen, Figuren
eben, Figuren durch ein halbblindes Fensterglas.«
    »Helga! Dein
verdammter Stolz! Wieso hast du mir nicht wenigstens etwas erzählt?«
    »Wegen meines
Stolzes. Du bist wie ich. Wir sind Lang’sche Töchter.«
    »Helga, du warst
immer die Klügere von uns beiden und die Schönere. Papas Madonna und
Inspiration. Du hast deine Jugend in der Werkstatt verbracht. Du musst sofort
gewusst haben, was Schorsch da tut! Wieso, Helga, wieso?«
    Tränen traten in
Helgas Augen. »Wieso? Das weißt du doch am besten! Ich wollte es nicht sehen.
Keiner betrügt bei uns, keiner wagt sich an das ewige, alles überstrahlende
Erbe der Väter. Unsere Tradition, diese verdammte, sie ist uns doch heilig!
Schau auf dein eigenes Leben. Warum hat dein Mann diesen Mast aufstellen
lassen? Er wollte etwas Eigenes schaffen. Nicht von deinem Geld abhängen. Und
das ging Schorsch genauso. Er wollte mir beweisen, dass er eigenes Geld
verdienen kann. Die stolzen Lang’schen Schwestern!« Sie lachte verächtlich.
»Wir haben unsere Männer in den Abgrund getrieben mit unserem Stolz. Wir waren
gute Ehefrauen und doch die schlechtesten. Wir haben doch keinen Deut
Verständnis für unsere Männer gehabt. Wir waren stolz und reich. Zu reich für
das Ego eines armen Fuizbuam und eines Kleinbauern!«
    Ganz langsam ging
Helga Kölbl auf ihre Schwester zu, streckte die Hände aus. »Ach Joseferl.« Ihre
Augen schwammen in Tränen, und eine Melancholie trat in ihre Augen, die wohl
nicht mehr weichen würde.
    Gerhard sah von
einer zur anderen und fühlte sich unwohl dabei, den Blick ganz pragmatisch
wieder auf den Fall zu lenken. »Wir müssen den Stadel natürlich ansehen und
alles sicherstellen, sofern noch was drin lagert.«
    »Gut! Ich fahre mit
und zeige Ihnen, wo es ist.« Helga sah ihre Schwester bittend an. Auch diese
stand auf. »Ich hole die Mäntel«, sagte sie.
    Gerhard zückte sein
Handy und rief Baier an. Er wollte den Kollegen dabei haben. Sie verabredeten
sich am Ortseingang von Altenau.
    Einige Minuten
später kam Josefa Heringer wieder, in einen Lodenmantel gehüllt, für ihre
Schwester hatte sie ein Cape dabei, das viel zu mächtig auf den schmalen
Schultern der

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