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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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zerstörte Gesicht des Pfarrers.
    »Du hast ihn ins
Silo gestoßen? Du? Du, Laberbauer? Keiner wusste, dass du da bist.«
    »Ja, Herr Pfarrer,
das ist das Gute, wenn man für die Familie und die Freunde tot ist. Auch wenn
man nach zehn Jahren wieder auftaucht, wird weiter geschwiegen. Das konnten sie
alle am besten: schweigen, lügen, Fakten verdrehen und noch mehr schweigen. Das
können Sie heute noch gut, oder, Herr Pfarrer?«
    »Laberbauer, Karli,
ich wollte das nicht. Ich war ein Opfer. Auch bloß ein Opfer.«
    Es war armselig, wie
er winselte, dachte Karli. So armselig! »Ein Opfer? Sie?«
    »Schau mich an,
Laberbauer, sie vertreiben mich aus dem Dorf, sie haben sich im Bistum
beschwert. Sie haben rausgefunden, dass ich ‘48 heimlich geheiratet habe. Ich
wollte aufhören mit der Kirche, aber dann ist meine Frau gestorben. Einfach
so.«
    »Und da haben Sie
beschlossen, doch lieber in den Schoß der Kirche zurückzukehren. Sehr
praktisch.«
    »Laberbauer, du bist
eiskalt. Weißt du, was es bedeutet, einen geliebten Menschen zu verlieren?«
    Karli starrte ihn
an, dann begann er böse zu lachen. »Ich, ich, nein, ich weiß das nicht, wie
sollte gerade ich das wissen?«
    »Laberbauer. Ich bin
suspendiert. Wo soll ich denn hin? Sie wollen mich loshaben. Sie sind wie
Tiere.«
    »Tiere sind nicht
so. Sie sind wie Menschen.« Karli lehnte immer noch in Türrahmen.
    »Laberbauer, trink
was!« Er hielt ihm den Becher entgegen, der doch bei der Wandlung sein sollte
und nicht in der Küche.
    »Ihnen ist nichts
heilig, was? Saufen den Messwein aus dem geweihten Kelch.«
    Der Pfarrer
kicherte, dann lachte er wie irr, immer lauter. Er verschüttete den Wein, der
Kelch fiel scheppernd zu Boden. Einer der Edelsteine hatte sich gelöst und
kollerte über den Boden. Rubinrot war er, so rot wie die Bluse, die Magda
getragen hatte, als sie stürzte. So rot wie das Blut, das aus ihrer Schläfe
gesickert war. Karli war in den Raum hineingegangen und hatte den Kelch
aufgehoben. Er drehte ihn in den Händen. Erneut versuchte der Pfarrer
aufzustehen, und diesmal gelang es ihm, sich aufzurichten, sich auf der
Tischplatte abzustützen und schwankend auf Karli zuzukommen.
    »Laberbauer, du hast
dein Leben vor dir. Hast du wirklich deinen Vater umgebracht? Laberbauer, das
glaub ich nicht.« Er kicherte wieder und versuchte ihm den Kelch abzunehmen.
»Gib her, ich will trinken. Ja, trinken wir auf deinen Vater, die Sau. Die tote
Sau.«
    Karli fühlte
Abscheu. Nichts sonst. Keinen Hass. Nein, eher sogar Mitleid mit dieser
zerstörten Kreatur da vor ihm. Was wollte er hier? Eine Abrechnung? Mit diesem
Wrack, diesem ungleichen Gegner gab es nichts mehr auszufechten.
    »Laberbauer, wir
machen alle Fehler. Es ging doch nur um das Weib, das kleine Luder. Das soll
uns Männer doch nicht auseinander bringen. Die hat für alle die Beine breit
gemacht, auch für mich, in der Sakristei. Er kicherte, und Karl schlug zu. Karl
– es war die Nacht, als aus Karli endgültig Karl wurde. Es war nur ein Schlag,
noch ein Edelstein kollerte. Blau wie das Wasser im Pool, vor dem sich Magda
geräkelt hatte. Aus der Kopfwunde des Pfarrers troff Blut. Rot wie der
Messwein, rot wie Magdas Bluse. Rot und blau ist dem Kasperle sei Frau …
    Karl war ganz ruhig.
Er sah sich um. Dann ging er langsam durch das Haus und die Kellertreppe
hinunter. Er war seit drei Wochen unsichtbar durch Oberhausen geschlichen. Er
war ein Geschöpf der Dunkelheit, immer in perfekter Tarnung. Aber seine Ohren
waren überall gewesen. Er hatte gehört, dass das Haus renoviert werden sollte.
Sie hatten schon begonnen im Keller. Der Betonmischer stand dort, sie waren im
Begriff, ihn zu vergrößern und mit dem Abraum ein nutzlos kleines Kammerl
aufzufüllen und das zuzumauern. Es fehlte nur noch eine Reihe. Ein Lächeln ging
über Karls Lippen. Es war mehr Wehmut als Triumph. Er entfernte vier Reihen
Ziegel und ging wieder nach oben, packte den Pfarrer, der leichter war als
erwartet, und schleppte ihn in den Keller. Er hievte ihn über das Mauerstück
und hörte das Geräusch, wie er auf der andern Seite zu Boden fiel. Es war ein
gutes Geräusch. Sorgfältig mauerte er die vier Reihen wieder zu. Er hinterließ
alles genau so, wie er es vorgefunden hatte, wobei er sicher war, dass der
Paule und der Bene, die hier mauerten, das eh nicht gemerkt hätten. Sie hatten
in der Frühe um acht schon ihre fünf Halbe.
    Dann ging er hinauf
und betrachtete die Tischplatte. Blut und Wein! Er kippte den ganzen

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