Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Locken.
»Ja, deinen schon.«
Sie gingen
schweigend an der Straße entlang, wo immer wieder Autos Schneematsch über ihre
Waden spien. Als sie beim Anzinger angekommen waren, sah sie ihn fragend an.
»Hat dir das etwas geholfen?«
»Ja, ich muss
entscheiden, ob ich ein Haus auf den Kopf stelle. Ob ich Böden herausreißen
lasse und Wände.«
»Dieses Haus?«
»Nein, ein altes
Pfarrhaus.«
»Was glaubst du da
zu finden?«
»Ein Skelett.«
»Oh!«
»Ich war mir nicht
sicher, ob ich das tun soll, tun kann.«
»Und jetzt bist du
dir sicher, und warum auf einmal?«
»Ja, ich bin mir
sicher. Warum, ist schwerer zu beantworten. Weil du Zauberberg gesagt hast.
Weil es wirklich ein Keltengrab gibt. Weil du Recht hast mit der Magie, aber
auch der Bürde des Katholizismus.«
»Ein bisschen wirr,
Herr Kommissar!« Sie lachte.
»Ja, ich weiß, aber
mehr kann ich nicht sagen.«
»Musst du nicht.
Toni?«
Gerhard lachte.
»Schon wieder Hunger?«
»Immer. Ich hab
immer Hunger. Unterzucker und so!«
»Wunderbar, ich
liebe Frauen, die richtig essen und nicht bloß am Salat knabbern und Wasser
trinken. Ich muss noch ein paar Telefonate erledigen. Fährst du vor?«
Sie fuhr davon in
ihrem verrosteten Polo, und Gerhard rief Baier an. »Ich veranlasse, dass morgen
der Erkennungsdienst kommt. Mit schwerem Gerät. Baier, ich bin mir sicher, dass
der Pfarrer da liegt.«
»Warum auf einmal?«
»Reicht es Ihnen,
dass ich mir sicher bin?«
Schweigen. »Reicht
mir! Morgen um neun im alten Pfarrhaus. Ein bisschen zurückgesetzt an der
Bahnhofsstraße. Sie werden es sehen, ein ungewöhnliches Haus. Sieht aus, als
sei es abgeschnitten. Ich komm direkt hin, bin vorher noch mit Steigenberger in
Ogau.«
Baier wehrte sich
mit Händen und Füßen gegen die Pfarrersleiche. Er wollte unbedingt bei den
Schnitzern fündig werden. Er hoffte fast, nun wenigstens bei Korntheurer oder
Lutz etwas zu entdecken. Er wollte den jungen Steigenberger bei der Vernehmung
dabeihaben, weil er sehr wohl spürte, dass Gerhard die Fronten gewechselt
hatte. Gerhard konnte den Kollegen verstehen. Auch ihm erschien das Motiv der
betrogenen Schnitzer nur allzu einleuchtend. Wenn da nicht sein Besuch bei Anna
Albrecht gewesen wäre, das Foto, das Hügelgrab und immer wieder dieses: Tote
kehren wieder in anderer Gestalt. Dieser Raunachtsspuk hatte sich eingebrannt
in seinem Herzen.
Anastasia-Kassandra
saß bereits vor einem riesigen Gyros, als Gerhard kam. Plinius durfte auf der Bank
sitzen und hatte eine Schüssel vor seiner Nase. Toni hockte bei den beiden, der
Eiermann auch und das Blauauge. Niemand wollte etwas über Gerhards Job wissen,
und als er mit seiner Schamanin draußen vor der Tür stand, sagte sie: »Du musst
jetzt nicht mitkommen. Ich mag keine Männer, die nicht bei der Sache sind.« Sie
gab ihm einen Kuss auf die Wange und ging zu ihrer Rostlaube, ohne sich
umzusehen.
Am nächsten Morgen
fand sich Gerhard in Oberhausen wieder. Das alte Pfarrhaus wurde eingerahmt von
einem Gebilde, das er angesichts der Rolltore im ersten Moment für den Bauhof
hielt. Schien aber privat zu sein und der Phantasie eines jener Architekten
entsprungen, die Baufurunkel in die Welt setzten und mehrfach schon der
Steinigung entgangen sein mussten. Auch das Haus auf der anderen Seite hatte so
gar nichts von der Behäbigkeit bayerischer Dörfer. Gerhard konnte mit diesen
Holz-Glasstrukturen nichts anfangen, er hätte keine Lust, im hell erleuchteten
Wohnzimmer das ganze Dorf an seinem Leben, Fernsehprogramm und Abendessen
teilhaben zu lassen. Aber die Bewohner hatten wohl in calvinistischer
Wohlanständigkeit nichts zu verbergen. Auch Gerhard hatte nichts zu verbergen,
trotzdem waren ihm Bauernstuben mit dicken Mauern und Sprossenfenstern lieber.
Wer im Glashaus sitzt, geht mal besser zum Scheißen in den Keller, das hatte
Baier doch erst kürzlich gesagt. Wie Recht er hatte.
Baier und
Steigenberger fuhren vor, und Baier sah grimmiger aus als je zuvor.
»Korntheurer derwürgt nicht mal ‘ne Fliege, und Lutz war lückenlos in Mi-Ammi.
Fragen Sie sonst nichts.«
Die beiden
Spezialisten waren auch erschienen und unterzogen das Haus einer ersten
Sichtung. Sie waren übereingekommen, dass eigentlich nur der Keller infrage
kam. Langsam gingen die fünf Männer durch die kühlen, feuchten Kellerräume und
leuchteten die Wände aus, bis einer sagte: »Diese Mauer wurde später
eingezogen, würde ich sagen. Fragt sich, was dahinter ist.«
»Weg damit«, knurrte
Baier.
Die
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