Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alessandro D'Avenia
Vom Netzwerk:
das Lächeln zwischen zwei Männern. Er geht hinaus, und die Tür ist schon fast zu, als ich mir einen Ruck gebe.
    »Papa?«
    Er steckt den Kopf wieder herein.
    »Ich würde nur gern rausgehen dürfen, um Beatrice zu besuchen. Ich war heute bei ihr.«
    Mein Vater sieht mich einen Moment lang ernst an, und ich bin schon auf ein kommt gar nicht in Frage gefasst. Er sieht zu Boden und dann wieder zu mir.
    »Erlaubnis erteilt, aber nur dafür. Sonst …«
    »… verwandelst du mich in den Staub meines Schattens, ich weiß, ich weiß …«
    Ich grinse.
    »Und Mamma?«
    »Ich rede mit ihr.«
    Die Tür ist schon zu, als er das sagt.
    »Danke, Papa.«
    Ich sage es zweimal. Die Worte kullern über den Fußboden, während ich mich zurücklege und zusehe, wie sich die weiße Zimmerdecke in einen Sternenhimmel verwandelt. Das Blut pulsiert durch die Adern und bringt sie zum Glühen. Zum ersten Mal empfinde ich nach einer Bestrafung keinen Hass gegen meine Eltern und mich selbst. Und der Staub meines Schattens ist Sternenstaub.

D as Haus bis zum Ende des Schuljahres nicht verlassen zu dürfen bedeutet mehr als zwei Monate Stubenarrest, ausgenommen die Besuche bei Beatrice, die meine Mutter als Waffenstillstandsklausel gebilligt hat. Ich bin trotzdem glücklich, denn der einzige wirklich wichtige Grund, um vor die Tür zu gehen, ist mir gewährt worden. Wegen des Fußballturniers wird mir schon was einfallen … Und außerdem werde ich dank dieser Strafe womöglich doch noch versetzt. Eingesperrt und ohne Ablenkungen vertreibe ich mir die Zeit mit: Lernen (meistens mit Silvia, die sich im Gegensatz zu mir wirklich reinhängt); am Computer sitzen (aber auch das gemäß dem Strafkatalog nur zu festgelegten Zeiten); Bücher lesen, oder besser, ein Buch lesen, das x-te, das Silvia mir geliehen hat, es heißt Wohin du mich führst , der Titel zumindest ist nicht übel, auch wenn es darum geht, einen Hund auszuführen (… es verfolgt mich!), Gitarre zu spielen (hin und wieder kommt Niko vorbei, und wir spielen ein paar Stücke zusammen. Er hat mit Alice Schluss gemacht, genauer gesagt, Alice hat mit ihm Schluss gemacht, wegen eines anderen) und – unglaublich, aber wahr – die Sterne zu beobachten.
    Jawohl, die Sterne zu beobachten: Mein Vater hat mich mit seiner Astronomie-Leidenschaft angesteckt. Er kennt sämtliche Sternbilder beim Namen und zieht mit der Spitze seines Zeigefingers unsichtbare Spinnwebfäden zwischen den einzelnen Sternen, wie bei diesen Punkt-Bildern in der »Rätselwoche«.
    Vielleicht wird mir das eines Tages noch mal nützlich. Ich möchte nämlich Beatrice sämtliche Sterne zeigen und ein Sternbild ganz allein für sie finden, das ihren Namen trägt. Was für eine Form es wohl haben wird? Was für eine Form hat ein Traum?

M it der Gitarre um den Hals betrete ich Beatrices Zimmer. Ich komme mir vor wie ein Straßensänger, der durch die U-Bahn-Waggons zieht und um ein bisschen Glück bettelt.
    Beatrice lächelt: Ich habe Wort gehalten; sie liegt bäuchlings auf dem Bett und liest, derweil Elisas Stimme aus der Stereoanlage gegen die Zimmerwände dröhnt und versucht, durch das spaltbreit geöffnete Fenster zu entkommen.
    »Heute fangen wir an!«, sage ich, und das Lächeln lässt das Grün ihrer Augen leuchten, als wäre dies der Anfang von etwas, das nie zu Ende geht.
    »Ich möchte lernen, dieses Lied zu spielen«, sagt sie und macht eine Kopfbewegung Richtung Anlage.
    Ho aspettato a lungo
    qualcosa che non c’è ,
    invece di guardare
    il sole sorgere …
    Statt mir den Sonnenaufgang anzusehen,
    habe ich auf etwas gewartet,
    das es nicht gibt …
    »Kein Problem, mit einem Lehrer wie mir … Ich müsste natürlich jeden Tag kommen …«
    Beatrice lacht mit dem Herzen im Blick, wirft den Kopf zurück und hält sich die Hand vor den Mund, als wäre ihre Reaktion offener als erlaubt, dabei kann sie sich alles erlauben.
    »Das wäre schön, Leo, aber du weißt, das schaffe ich nicht …«
    Ich hole die Gitarre aus der Hülle, als wäre ich The Edge.
    Ich setze mich auf den Bettrand, und Beatrice richtet sich auf. Am liebsten würde ich ihren Duft mit einem Geruchsrecorder aufnehmen, wenn es ihn denn gäbe. Ich lege ihr die Gitarre auf die Knie und zeige ihr, wie man den Hals greift, der viel zu groß für ihren zerbrechlichen Körper scheint. Ich lege den Arm um sie, um ihr beim richtigen Griff zu helfen, und für einen kurzen Augenblick sind meine Lippen so dicht an ihrem Hals, dass sie sich fragen, wieso

Weitere Kostenlose Bücher